Snapshot
in Ordnung so?«
Narey lachte in sich hinein. Ihre unbeholfene DC blühte auf, aus dem Trampeltier wurde ein Schwan. » Und ob, Julia. Wir sehen uns später. Dafür hast du dir einen Drink verdient.«
27
In Winters Kopf ging es drunter und drüber. Nach seinem Abschied aus Rory McCabes Mietshaus war er mindestens einen Kilometer gefahren, ohne seine Umgebung wahrzunehmen. Namen, Tageszeiten, Daten wirbelten in seinen Gedanken umher, ein einziges Gewirr, aus dem er einfach nicht schlau wurde, und zu allem Überfluss hatte er auch noch verdammte Schmerzen. Als er das Blut in seinem Mund schmeckte, beschloss er, lieber nicht in den Spiegel zu schauen.
Er fuhr auf direktem Weg zu seiner Wohnung, eilte ins Innere, bevor er noch irgendwem über den Weg lief, und stellte sich unter die Dusche. Das Wasser brannte auf seiner Haut und tat trotzdem gut. Er spuckte auf den Boden und sah zu, wie sich ein Hauch Mohnblumenrot im Abfluss drehte.
Beim Abtrocknen vor dem Badezimmerspiegel, als das Handtuch schmerzhaft über seinen Rücken schrubbte, entdeckte er einen leuchtend roten Fleck unter seinem rechten Auge. Vielleicht war der Wangenknochen gebrochen? Nein, dachte er sich, das hätte er schon gespürt. Die Lippe war bereits mehr oder weniger verheilt, und abgesehen von der Beule an seiner Backe dürfte es kein Problem sein, die Verletzungen zu vertuschen.
Doch seine Rippengegend ähnelte einem roten, schwarzen und violetten Flickenteppich. Heute konnte er keinesfalls bei Rachel schlafen, die nächsten paar Tage auch nicht. Beim Anblick seiner Prellungen würde sie nur Fragen stellen, die er nicht beantworten wollte. Aber nach ein paar Nächten im heimischen Bett könnte er die blauen Flecken wahrscheinlich als Resultat einer handfesten Partie auf dem Bolzplatz ausgeben, zumindest wenn sie nicht allzu genau hinschaute.
Scheiß drauf, es würde schon gut gehen. Immerhin hatte er sich damit neue Informationen erkämpft– mit denen er jedoch kaum etwas anfangen konnte. Sammy Ross. Er fummelte die Fotografien aus Blochairn heraus, Bilder, auf die er damals wenig bis gar keinen Bock gehabt hatte: Sammy Boy, wie er in den Abgrund starrte, eine grinsende Bisswunde in der Brust.
Unter anderem fand er eine Nahaufnahme seines Gesichts, seiner bettelnden Augen. Mann, Sammy, was soll das? Was hattest du mit der Sache zu tun? Für Leute wie Caldwell und Quinn warst du doch der reinste Fliegenschiss. Du warst weiter unten als der Dreck an ihren Schuhsohlen. Du wurdest nicht erschossen, sondern abgestochen, du passt einfach nicht ins Bild. Und trotzdem ist dein Name über Rory McCabes Lippen gekommen. Okay, vielleicht hatte ihn der kleine Idiot bloß angelogen, aber daran wollte Winter nicht so recht glauben. Woher hätte er den Namen überhaupt wissen sollen, außer eventuell aus der Zeitung? Nein, wahrscheinlich hatte er schlicht die Wahrheit gesagt.
Aber das war nicht das Einzige, was an ihm nagte. Winter fragte sich nicht nur, was das Ganze mit Sammy zu tun hatte– sondern auch, was es mit ihm selbst zu tun hatte. Er war Fotograf, sonst nichts. Na klar, dachte er, red dir das nur immer schön ein, dann glaubst du vielleicht irgendwann selbst dran.
Winter räumte die Abzüge des toten Dealers in den Scharfschützenordner. Sammy war in die erste Liga aufgestiegen, wenn auch nur posthum. Nur ein Fotograf wusste davon, aber er war tatsächlich vom 08/15-Mord zum Schlagzeilenmaterial befördert worden. Er saß in derselben Scheiße wie die großen Jungs, er hatte sich dasselbe Grab geschaufelt wie Caldwell und Quinn, Strathie und Sturrock, Adamson und Haddow. Endlich konnte seine Mami stolz sein.
Winters Handy erlöste ihn von der unerträglichen Stille. Addison hatte ihm geschrieben:
Pub um 8. In der TSB , außer du weißt was Besseres.
Dann eben in der Station Bar. Winter hatte jedenfalls keinen Nerv, jetzt auch noch über die Abendunterhaltung nachzudenken. Er antwortete Addison mit einem Okay und rief Rachel an, innerlich darauf gefasst, dass ihr detektivischer Radar eingeschaltet war und sie seine Ausrede sofort durchschauen würde. Doch seine Sorgen erwiesen sich als unbegründet. Vielleicht kaufte sie ihm tatsächlich ab, dass er sich grad nicht so toll fühlte. Wahrscheinlicher war, dass sie knietief in ihrem eigenen Fall steckte und deshalb ganz froh war, mal eine Nacht Ruhe zu haben. Er vermisste sie, und da sie umgehend zugestimmt und kurz darauf wieder aufgelegt hatte, stand zu befürchten, dass sie ihn nicht ganz so
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