Sniper
handelte, sondern gingen auf das Dach und suchten nach weiteren Angreifern.
Dauber hatte in der Zwischenzeit aufgehört, Marc zu untersuchen. Er war sehr schwer verletzt; und Dauber wusste, dass die Lage hoffnungslos war.
Der Army-Captain kam und holte uns. Während der ganzen Fahrt standen sie unter schwerem Beschuss. Insgesamt waren es zwei Panzer und vier Bradleys, denen schon langsam die Munition ausging. Unser Rückzug wurde begleitet von einem heftigen Kugelhagel der Aufständischen.
Irgendwann einmal blickte ich durch das Fenster der Heckrampe meines Bradleys. Alles, was ich ausmachen konnte, waren schwarzer Rauch und eine Trümmerlandschaft. Sie hatten es uns gezeigt, und dabei die ganze Gegend in Schutt und Asche gelegt.
Aus irgendeinem Grund dachten die meisten von uns, dass Marc überleben und Ryan sterben würde. Erst als wir wieder am Stützpunkt eintrafen, erfuhren wir, dass es genau umgekehrt war.
Da wir in nur wenigen Stunden zwei Männer verloren hatten, waren unsere Offiziere und Tony der Meinung, wir sollten uns eine Auszeit nehmen. Wir kehrten zur Shark Base zurück und wurden zurückgestellt. (Zurückgestellt bedeutet, dass der Bereitschaftszustand aufgehoben ist und man vorläufig nicht an Kampfhandlungen teilnimmt. Es ist in gewisser Weise wie eine offizielle Auszeit, um das eigene Handeln zu bewerten und gegebenenfalls zu ändern.)
Es war ein heißer, blutiger und düsterer August.
Taya:
Chris brach zusammen, als er mir am Telefon die Neuigkeit mitteilte. Ich hatte nichts von alldem gewusst, bis er mich anrief, und ich war entsetzt.
Ich war zwar einerseits erleichtert, dass er verschont geblieben war, aber natürlich trotzdem unglaublich traurig, dass es Marc und Ryan erwischt hatte.
Ich versuchte möglichst gefasst zu bleiben, während er sprach. Ich wollte einfach nur zuhören, denn ich hatte noch nie oder nur sehr selten miterlebt, dass Chris so gelitten hat.
Ich konnte nichts tun, außer seinen Angehörigen von seinen Erlebnissen zu berichten.
Wir telefonierten an diesem Tag sehr lange miteinander.
Einige Tage später ging ich zur Beerdigung auf den Friedhof, von dem aus man die Bucht von San Diego überblicken konnte.
Es war sehr traurig. Es waren so viele junge Männer anwesend, so viele junge Familien Beerdigungen von SEALs beizuwohnen, nahm mich immer mit, aber diesmal war es noch schlimmer als sonst.
Man ist so traurig, man kann sich nicht vorstellen, wie sehr sie leiden. Man betet für sie und dankt Gott dafür, dass der eigene Ehemann unversehrt geblieben ist. Und dafür, dass man nicht diejenige ist, der man Beileid wünscht.
Alle, denen ich diese Vorkommnisse bisher berichtet habe, sind einhellig der Meinung, dass ich dabei sehr wortkarg werde und meine Stimme belegt klingt. Offenbar bin ich beim Erzählen dieser Geschichte deutlich weniger detailreich und ausschweifend wie sonst, wenn ich meine Erlebnisse beschreibe.
Ich bin mir dessen nicht bewusst. Die Erinnerung daran, zwei Kameraden verloren zu haben, hat bleibende Wunden hinterlassen. Für mich ist sie so lebhaft wie das, was in diesem Augenblick um mich herum geschieht. Für mich ist die Wunde so tief und frisch, als hätten jene Kugeln mich in eben diesem Augenblick getroffen.
Zurückgestellt
Im Camp Ramadi hielten wir einen Gedenkgottesdienst für Marc Lee ab. Aus allen Gegenden des Iraks kamen SEALs zusammen, um dieser Feier beizuwohnen. Und ich glaube, auch die gesamte Army-Einheit, mit der wir zusammengearbeitet hatten, erschien. Sie nahmen großen Anteil, es war unglaublich. Ich war sehr gerührt.
Sie setzten uns in die erste Reihe. Wir waren seine Familie.
Marcs Ausrüstung war dort, sein Helm und sein Mk-48. Unser Einsatzleiter hielt eine kurze, aber bewegende Rede; er schluchzte und ich bezweifle, dass es unter den Anwesenden – oder im gesamten Camp – jemanden gab, der nicht in Tränen aufgelöst war.
Als der Gottesdienst zu Ende war, hinterließ jede Einheit ein Zeichen der Anerkennung – ein Abzeichen oder eine Münze, irgendetwas. Der Captain der Army-Einheit überreichte eine Messinghülse von einer der Patronen, die er abgefeuert hatte, als er uns zu Hilfe kam.
Einige Kameraden aus dem Zug erstellten eine Präsentation mit Bildern von ihm und spielten sie auf einer weißen Leinwand ab, die wir an eine Wand gehängt hatten. Wir tranken etwas und betrauerten gemeinsam den Tod unseres Freundes.
Vier Kameraden überführten seinen Leichnam in die Staaten. Da wir nach wie vor
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