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Sniper

Sniper

Titel: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Kyle , Scott McEwen , Jim DeFelice
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heranzuführen, ihnen einen kleinen Vorgeschmack zu geben, auf was sie sich einließen, bevor es richtig losging. Wir gingen sehr vorsichtig mit ihnen um und erlaubten ihnen beispielsweise nicht, uns bei Operationen zu begleiten.
    Als SEALs machte ihnen das natürlich schwer zu schaffen, aber wir hielten sie zurück und behandelten sie zunächst als Auszubildende: »Hey, fahrt die Hummer schon einmal vor, damit wir gleich los können.« Wir beschützten sie; nach all dem, was wir durchgemacht hatten, wollten wir nicht, dass sie im Gefecht verletzt wurden.
    Aber schikanieren mussten wir sie natürlich trotzdem. Dem einen armen Kerl rasierten wir den Kopf und die Augenbrauen und klebten ihm die Haare dann ins Gesicht.
    Als wir gerade dabei waren, kam ein anderer Frischling vorbei.
    »Du hältst dich lieber raus«, warnte ihn einer unserer Offiziere.
    Der Frischling spähte in das Zimmer und sah, was wir gerade mit seinem Freund anstellten.
    »Ich muss aber.«
    »Du hältst dich lieber raus«, wiederholte der Offizier. »Sonst gibt’s Ärger.«
    Frischling Nummer zwei stürmte trotzdem ins Zimmer. Wir rechneten es ihm hoch an, dass er seinem Freund zu Hilfe eilen wollte, und bedachten ihn mit unserer ganz besonderen Zuneigung. Dann rasierten wir auch ihn, fixierten die beiden mit Klebeband aneinander und stellten sie ins Eck.
    Nur für ein paar Minuten.
    Auch einer der neuen Offiziere entkam der Prozedur des Schikanierens nicht. Er bekam dieselbe Behandlung wie alle anderen auch, nahm es uns aber übel.
    Ihm gefiel die Vorstellung nicht, von seinen künftigen Untergebenen misshandelt zu werden.
    Mit dem Dienstgrad ist es eine seltsame Sache in den Teams. Er wird nicht gerade ignoriert, gibt aber auch nicht den Ausschlag darüber, wie jemand behandelt wird.
    Im BUD/S-Training werden Offiziere und Mannschaften gleich behandelt: wie der letzte Dreck. Sobald man diese Phase aber durchlaufen hat und sich einem Team anschließt, ist man ein Frischling. Und wieder werden alle gleich behandelt: wie der letzte Dreck.
    Die meisten Offiziere nehmen einem diese Rituale nicht krumm, obwohl Ausnahmen natürlich die Regel bestätigen. In Wirklichkeit werden die Teams nämlich von den dienstältesten Mannschaftsdienstgraden geleitet. Ein Chief hat 12 bis 16 Jahre Erfahrung. Ein Offizier, der neu zu einem Zug kommt, hat weitaus weniger Erfahrung, nicht nur als SEAL sondern auch als Navy-Angehöriger allgemein. Meistens hat er von nichts eine Ahnung. Selbst ein Offizier mit größeren Führungsaufgaben hat oft nur vier oder fünf Jahre auf dem Buckel. Deshalb funktioniert das System. Wenn ein Offizier Glück hat, bekommt er drei Züge: Danach wird er zum Einsatzleiter oder etwas Vergleichbarem befördert und nimmt nicht mehr direkt am Kampfgeschehen teil. Und selbst bis dahin bestehen seine Hauptaufgaben meist darin, Verwaltungsaufgaben zu erledigen und Gefechtsstrategien zu erarbeiten (zum Beispiel dafür zu sorgen, dass eine Einheit nicht in freundliches Feuer gerät). Das sind wichtige Aufgaben, aber nicht vergleichbar mit der aktiven Teilnahme am Kampfgeschehen. Wenn es darum geht, Türen einzutreten oder ein Scharfschützenversteck einzurichten, hat der Offizier in der Regel nicht allzu viel Erfahrung und hält sich daher oft weitgehend zurück.
    Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Ich habe mit einigen hervorragenden Offizieren zusammengearbeitet, die über eine Menge Erfahrung verfügten, aber generell weiß ein Offizier nicht annähernd so viel über das Kämpfen wie ein einfacher Soldat, der viele Jahre genau damit zugebracht hat. Ich zog LT immer damit auf, dass er vermutlich nicht mit einem Gewehr zu einem Kampfeinsatz erscheinen würde, sondern mit seinem Laptop.
    Die Schikane erinnert jeden daran, wer der Erfahrene ist, und an wem man sich besser orientiert, wenn es hart auf hart kommt. Man kann es so sehen: Wen will man im Ernstfall lieber an seiner Seite wissen: den Typen, der schon mehr als einmal im Kugelhagel losrannte, um seinen Kameraden zu retten, oder den Offizier, der schon bitterlich weint, nur weil er von einigen einfachen Soldaten schikaniert wird?
    Die Schikane holt die Frischlinge auf den Boden der Tatsachen und macht ihnen klar, dass sie sich unterordnen müssen, weil sie von nichts eine Ahnung haben. Bei einem Offizier kann eine kleine Dosis Demut wahre Wunder wirken.
    Ich hatte mit vielen guten Offizieren zu tun. Aber die wirklich hervorragenden waren allesamt bescheidene Kerle.
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