Sniper
einzigen Nachrichtenbeiträge, die wir lasen, von Gräueltaten und davon, dass es unmöglich war, Ramadi zu befrieden.
Und raten Sie mal, was geschah? Wir töteten die ganzen Schurken – und was geschah dann? Die irakischen Stammesoberhäupter erkannten doch , dass wir es ernst meinten, und schlossen sich doch zusammen, um sich selbst zu verwalten und die Aufständischen zu vertreiben. Man musste schlichtweg einen gewissen Druck und eine gewisse Gewalt ausüben, um eine Situation zu schaffen, in der Frieden möglich war.
Leukämie
»Unsere Tochter ist krank. Sie hat nur wenig weiße Blutkörperchen.«
Mein Griff um den Hörer wurde etwas fester, als Taya diese Worte aussprach. Mein kleines Mädchen litt schon eine Weile an Infektionen und Gelbsucht. Ihre Leber bereitete zunehmend Probleme. Nun hatten die Ärzte weitere Tests durchgeführt und die Dinge standen wirklich schlecht. Sie äußerten nicht ausdrücklich, dass sie an Krebs oder Leukämie erkrankt war, sagten aber auch nicht das Gegenteil. Sie wollten einen weiteren Test machen, um Gewissheit zu erlangen.
Taya versuchte positiv zu sein und die Probleme herunterzuspielen. Aber an ihrer Stimme konnte ich erkennen, dass die Lage ernster war, als sie zugeben wollte, bis ich schließlich die ganze Wahrheit herausbekam.
Ich bin mir nicht ganz sicher, was sie während dieses Telefonats alles zu mir sagte, aber ich hörte ein Wort: Leukämie. Krebs .
Mein kleines Mädchen würde sterben.
Ein Gefühl der Hilflosigkeit übermannte mich. Ich war Tausende Kilometer von ihr entfernt und konnte nichts tun, um ihr zu helfen. Nicht einmal wenn ich bei ihr gewesen wäre, hätte ich ihr helfen können.
Meine Frau klang am Telefon so traurig und einsam.
Der Stress des Einsatzes in Ramadi hatte mich auch schon vor jenem Telefonanruf, den ich im September 2006 bekam, gehörig mitgenommen. Marcs Tod und Ryans schwere Verletzungen hatten mich tief erschüttert. Mein Blutdruck war stark angestiegen und ich schlief schlecht. Die Nachricht über meine Tochter machte alles nur schlimmer. Ich war damals in keinem guten Zustand und somit auch keine besonders große Hilfe für meine Kameraden.
Zum Glück neigte sich unser Auslandseinsatz allmählich dem Ende zu. Sobald ich meine Vorgesetzten vom Gesundheitszustand meiner Tochter informiert hatte, trafen sie Vorkehrungen, mich vorzeitig nach Hause zu schicken. Unser Arzt in den USA füllte alle nötigen Unterlagen aus und schickte das Ganze als offiziellen Rotkreuzbrief an mich ab. Ein Rotkreuzbrief ist eine formelle Bestätigung, dass aufgrund eines Notfalls ein Militärangehöriger umgehend zu seiner Familie zurückkehren muss. Sobald dieser Brief eintraf, gaben mir meine Kommandanten grünes Licht.
Beinahe hätte ich es nicht geschafft wegzukommen. Ramadi war ein so heißes Pflaster, dass es nicht viele Gelegenheiten gab auszufliegen. Es gab keine Hubschrauber, die die Stadt anflogen. Selbst die Konvois wurden noch von Aufständischen angegriffen. Meine Jungs machten sich Sorgen um mich, und da sie wussten, dass ich es mir nicht leisten konnte, länger zu warten, machten sie die Humvees bereit. Sie setzten mich in die Mitte, fuhren mich aus der Stadt und zum TQ-Flugplatz.
Als wir dort ankamen, brach ich beinahe in Tränen aus, als ich meine Splitterweste und mein M-4 abgeben musste.
Meine Jungs zogen wieder in den Krieg und ich flog nach Hause. Das nervte mich. Ich hatte das Gefühl, ich würde sie im Stich lassen und mich davonstehlen.
Es war ein Konflikt – Familie und Vaterland, Familie und Waffenbrüder – den ich niemals wirklich zu lösen vermochte. In Ramadi waren mir sogar noch mehr Todesschüsse gelungen als in Falludscha. Ich schloss jenen Auslandseinsatz nicht nur mit mehr Treffern ab als jeder andere, meine Gesamtquote machte mich überdies zum erfolgreichsten amerikanischen Scharfschützen aller Zeiten – so hieß es zumindest in der Amtssprache.
Und trotzdem fühlte ich mich wie jemand, der einen Rückzieher machte, der einfach nicht genug gab.
Kapitel 12
Schwere Zeiten
Rückkehr
Ich nahm das erste militärische Transportflugzeug nach Kuwait und reiste von dort in die Staaten. Ich trug Zivilkleidung und wurde wegen meiner längeren Haare und dem Bart schief angesehen, da niemand ahnen konnte, warum jemand im aktiven Dienst in Zivilkleidung reisen durfte.
Rückblickend ist das durchaus ein bisschen amüsant.
Ich flog bis Atlanta und musste dort für den Anschlussflug die Sicherheitskontrolle
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