Sniper
hinwegflogen.
*
Die Alarmanlage bereitete mir noch öfter Freude. Eines Tages wachte ich auf, nachdem Taya zur Arbeit gegangen war. Sobald ich aus dem Bett gestiegen war, ging der Alarm los. Er lief im akustischen Modus, sodass mich eine automatische Stimme warnte:
»Warnung: Eindringling! Eindringling im Haus! Warnung: Eindringling!«
Ich schnappte mir meine Pistole und wollte den Einbrecher stellen. Kein Mistkerl würde einfach in mein Haus einbrechen und ungestraft davonkommen.
»Eindringling: Wohnzimmer!«
Vorsichtig schlich ich ins Wohnzimmer und sicherte den Raum, wie ich es bei den SEALs gelernt hatte.
Leer. Kluges Bürschchen.
Ich pirschte mich durch den Flur.
»Eindringling: Küche!«
Die Küche war ebenfalls leer. Der Hundesohn rannte von mir weg.
»Eindringling: Flur!«
Dreckskerl!
Ich kann nicht sagen, wie lange es dauerte, bis ich endlich erkannt hatte, dass ich selbst der Eindringling war: Die Anlage verfolgte mich. Taya hatte den Alarm unter der Annahme eingestellt, dass das Haus verlassen war, sodass jede Bewegung aufgezeichnet wurde.
Sie können gerne lachen. Aber bitte mit mir, nicht über mich.
Es schien fast so, als sei ich zu Hause anfälliger als in der Schlacht. Praktisch jedes Mal, sobald ich zu Hause war, stieß mir etwas zu, normalerweise im Training. Ich brach mir einen Zeh, einen Finger und zog mir alle möglichen kleineren Verletzungen zu. Im Ausland, im Kriegseinsatz, schien ich unverwundbar.
»Du ziehst wahrscheinlich immer deinen Superhelden-Umhang aus, sobald du nach Hause kommst«, witzelte Taya.
Nach einer Weile fand ich, dass da durchaus etwas dran war.
*
Während der gesamten Zeit meines Auslandseinsatzes waren meine Eltern extrem angespannt gewesen. Und sobald ich wieder zu Hause war, wollten sie mich sofort sehen. Deshalb glaube ich auch, dass sie mein Bedürfnis nach Rückzug anfangs mehr kränkte, als sie zugeben wollten. Als wir sie dann aber schließlich besuchten, war es ein recht schöner Tag.
Meinem Vater setzte mein Einsatz besonders schwer zu, er zeigte seine Sorge wesentlich stärker als meine Mutter. Das ist seltsam – manchmal fühlen sich die stärksten Menschen machtlos, wenn die Dinge nicht in ihrer Hand liegen und sie für ihre Lieben nicht da sein können. Das ist mir selbst auch schon so ergangen.
Das war ein Muster, das sich jedes Mal wiederholte, wenn ich im Krieg war. Meine Mutter blieb stoisch; aber mein sonst so stoischer Vater konnte kaum verbergen, welch große Sorgen er sich um mich und meinen Bruder machte.
Auf die Schulbank
Ich opferte einen Teil meines Urlaubs und kehrte eine Woche früher von meinem Heimaturlaub zurück, um mich zum »Sniper«, zum Scharfschützen ausbilden zu lassen. Und glauben Sie mir, für diese Gelegenheit hätte ich sogar noch viel mehr geopfert als eine Woche Urlaub.
Die Sniper-Einheiten der Marines haben im Laufe der Jahre viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen – zu Recht – und ihre Ausbildung zählt nach wie vor zu den besten der Welt. SEAL-Sniper wurden früher ebenfalls bei den Marines ausgebildet. Inzwischen haben wir unseren eigenen Lehrplan, wobei wir viel von den Marines übernommen, aber auch eine Reihe anderer Dinge hinzugefügt haben, um unsere Sniper noch gezielter auf unsere Missionen vorzubereiten. Die Scharfschützenausbildung der SEALs dauert deswegen gut doppelt so lange.
Abgesehen vom BUD/S war das die härteste Ausbildung, die ich jemals durchlaufen musste. Nicht zuletzt wegen der Psychotricks, die sie mit uns spielten. Wir arbeiteten bis spät in die Nacht und mussten sehr früh wieder aufstehen. Außerdem hielt man uns ständig in Bewegung, sei es mit langen Laufeinheiten oder anderen anstrengenden Aktivitäten. Das sollte uns permanent unter Stress setzen.
Stress bzw. Druck ist ein enorm wichtiger Bestandteil dieser Ausbildung. Da sie nicht auf dich schießen können, üben sie auf jede andere erdenkliche Weise möglichst viel Druck auf dich aus. Ich habe gehört, dass nur die Hälfte der SEALs die Scharfschützenschule erfolgreich abschließt. Das glaube ich sofort.
Im ersten Teil der Ausbildung wird den SEALs zunächst vermittelt, wie man die Computer- und Kameraausrüstung benutzt, die zu unserem Job gehört. SEAL-Sniper sind nicht nur Schützen. Das Schießen ist nur ein kleiner Aspekt unserer Tätigkeit. Ein ziemlich wichtiger, entscheidender Teil, aber lange nicht alles.
Ein SEAL-Scharfschütze wird dazu ausgebildet zu beobachten. Das ist die grundlegende Fähigkeit,
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