Sniper
nur etwas, wovon sie annahm, dass es mir Ärger bereiten würde.
Wir wurden zur Basis zurückgerufen und für den ganzen Zug wurde die Alarmbereitschaft aufgehoben. Man sagte mir, ich sei für weitere Einsätze »nicht verfügbar« – und solange die 506. den Vorfall untersuchte, durfte ich den Stützpunkt nicht verlassen.
Der Oberst wollte mich verhören. Mein vorgesetzter Offizier begleitete mich. Wir waren alle genervt. Ich hatte mich strikt an die Dienstregeln gehalten. Es waren die »Army-Ermittler«, die alles vermasselt hatten.
Aber ich musste meine Zunge hüten. Das Einzige, was ich dem Oberst klar und deutlich sagte, war: »Ich erschieße keine Leute mit dem Koran in der Hand – es würde mir nichts ausmachen, aber ich tue es nicht!« Ich schätze, ich war ein wenig erregt.
Nun, nach drei Tagen und Gott weiß wie vielen weiteren »Ermittlungen« erkannte er schließlich, dass es ein sauberer Todesschuss gewesen war und ließ die Sache fallen. Aber als das Regiment um weitere Unterstützung in Form von Beobachtern bat, antworteten wir ihnen, sie sollten sich zum Teufel scheren.
»Jedes Mal, wenn ich jemanden erschieße, werdet ihr nur versuchen, mir einen Strick daraus zu drehen«, sagte ich. »Ohne mich.«
Wir sollten ohnehin in zwei Wochen nach Hause zurückkehren. Abgesehen von einigen wenigen Kampfeinsätzen verbrachte ich die meiste Zeit damit, Videospiele zu spielen, Pornos anzusehen und im Kraftraum zu trainieren.
Am Ende dieses Auslandseinsatzes wies meine Personalakte eine beträchtliche Zahl bestätigter tödlicher Scharfschützenschüsse auf. Die meisten davon hatten sich in Falludscha ereignet.
Carlos Norman Hathcock II, der berühmteste Scharfschütze der US-Streitkräfte, eine wahre Legende und ein großes Vorbild für mich, schaffte in den drei Jahren, in denen er insgesamt im Vietnamkrieg gedient hatte, 93 bestätigte Todesschüsse.
Ich behaupte nicht, dass ich in seiner Liga spielte – für mich ist er nach wie vor der beste Scharfschütze aller Zeiten – und wird es auch immer sein – aber wenn man allein auf die Zahl achtete, kam ich seinem Rekord allmählich schon so nah, dass der eine oder andere Zeitgenosse bereits der Meinung war, ich hätte im Irak eine außergewöhnliche Leistung vollbracht.
Kapitel 8
Familienangelegenheiten
Taya:
Wir gingen hinaus auf die Landebahn und warteten auf das Flugzeug, das gerade im Anflug war. Es waren nur einige wenige Ehefrauen und Kinder anwesend. Ich war mit unserem Baby gekommen und extrem aufgeregt, ich war ganz aus dem Häuschen vor Freude.
Ich erinnere mich, wie ich mich zu einer der anderen Soldatenfrauen wandte und sagte: »Ist das nicht toll? Ich halt ’ s kaum aus.«
Sie meinte nur: »Hmm.«
Ich dachte mir, na ja, vielleicht liegt es daran, dass alles noch neu für mich ist.
Später ließen sie und ihr Mann, ein SEAL aus Chris ’ Zug, sich scheiden.
Bindung aufbauen
Ich hatte die USA etwa sieben Monate zuvor verlassen, nur zehn Tage nach der Geburt meines Sohnes. Ich liebte ihn, aber wie bereits erwähnt, hatten wir keine Gelegenheit gehabt, eine Bindung aufzubauen. Neugeborene sind im Grunde nichts weiter als ein Bündel von Bedürfnissen – sie wollen gefüttert, gewickelt und in den Schlaf geschaukelt werden. Mittlerweile hatte er aber eine Persönlichkeit, einen Charakter. Und er krabbelte herum. Auf den Bildern, die Taya mir geschickt hatte, hatte ich zwar sehen können, wie er heranwuchs, aber diesen Prozess vor Ort mitzuverfolgen, war ein viel intensiveres Erlebnis. Er war mein Sohn.
Wir lagen in unseren Schlafanzügen auf dem Boden und spielten miteinander. Er krabbelte auf mir herum, ich hob ihn hoch und trug ihn umher. Selbst die einfachsten Dinge – wenn er zum Beispiel mein Gesicht berührte – waren eine Freude.
Aber der Übergang vom Krieg zum heimischen Alltag war jedes Mal so etwas wie ein Schock. An einem Tag waren wir noch in Kämpfe verwickelt gewesen. Am nächsten überquerten wir den Fluss, um zum Flugstützpunkt Al-Taqaddum zu gelangen (den wir mit TQ abkürzten), und kehrten von dort in die Staaten zurück.
An einem Tag noch Krieg; am nächsten schon wieder Frieden.
Es ist immer seltsam, wenn man nach einem Auslandseinsatz nach Hause kommt. Vor allem in Kalifornien. Die einfachsten Dinge brachten mich auf die Palme. Der Verkehr zum Beispiel. Man fährt auf der Schnellstraße, alles ist dicht, es herrscht Hektik. Man vermutet immer noch überall am Straßenrand Sprengsätze – und wenn man
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