Sniper
Einsätzen. Wir erhielten den Namen und den Aufenthaltsort eines mutmaßlichen Aufständischen, stürmten nachts sein Haus, kehrten zurück und brachten ihn und alle Beweise, die wir sammeln konnten, zur Haft- und Verhöranstalt, mit anderen Worten: ins Gefängnis.
Wir hatten auf dem ganzen Weg Fotos gemacht. Nicht weil uns das Fotografieren so viel Spaß machte, sondern um uns, und vor allem unsere Kommandanten, abzusichern. Die Bilder bewiesen, dass wir ihn nicht windelweich geprügelt hatten.
Die meisten dieser Einsätze waren Routine, ohne viel Ärger, und fast nie stießen wir auf Widerstand. Eines Abends jedoch ging einer unserer Jungs in ein Haus, in dem ein eher stämmiger Iraker beschloss, nicht friedlich mitzukommen. Er wehrte sich.
Aus unserer Sicht wurde unserem SEAL-Bruder in den Hintern getreten. Laut dem betroffenen SEAL war er eigentlich nur ausgerutscht und hatte unserer Hilfe keineswegs bedurft.
Ich schätze, man kann die Situation deuten, wie man will. Wir stürmten alle los und schnappten uns den Fettwanst, bevor er viel Schaden anrichten konnte. Unser Freund wurde für seinen »Sturz« noch eine Zeit lang aufgezogen.
Bei den meisten dieser Missionen hatten wir Fotos der Zielperson. In diesen Fällen war dann zumeist auch die übrige Informationslage relativ detailliert. Der Typ war fast immer, wo er sein sollte, und es entwickelte sich in der Regel alles ziemlich so, wie wir das vorab skizziert hatten.
Aber in manchen Fällen ging es nicht so glatt. Wir realisierten irgendwann, dass die Informationslage immer dann fragwürdig war, wenn wir kein Foto bekamen. Da die Einheimischen wussten, dass die Amerikaner Verdächtige grundsätzlich erst einmal festnahmen, schwärzten sie Landsleute an, mit denen sie im Streit lagen. Sie sprachen mit der Army oder einer anderen Behörde und behaupteten, dass diese oder jene Person den Widerstand unterstützte bzw. bezichtigten sie eines anderen Verbrechens.
Es war natürlich unangenehm für die Person, wenn sie verhaftet wurde, aber ich zerbrach mir nicht den Kopf darüber. Es zeigte nur einmal mehr, wie aufgeschmissen das Land war.
Zweifel
Eines Tages forderte die Army einen Scharfschützen an, der als Beobachter für einen Konvoi der 506. fungieren sollte, der auf dem Weg zum Stützpunkt war.
Ich ging mit einem kleinen Team los und wir nahmen ein drei- oder vierstöckiges Gebäude in Beschlag. Ich richtete mich im obersten Stockwerk ein und begann die Gegend zu observieren. Schon bald sah ich, wie sich der Konvoi die Straße entlangbewegte. Während ich den Bereich beobachtete, kam ein Mann aus einem Gebäude in der Nähe der Straße und fing an, sich seinen Weg in die Richtung zu bahnen, die der Konvoi nehmen würde. Er hatte eine Kalaschnikow bei sich.
Ich schoss. Er ging zu Boden.
Der Konvoi fuhr weiter. Eine Gruppe Iraker kam aus den umliegenden Häusern und versammelte sich um den Mann, den ich erschossen hatte, aber niemand machte verdächtige Bewegungen in Richtung des Konvois oder sah aus, als wäre er in der Lage ihn anzugreifen, sodass ich nicht wieder feuerte.
Einige Minuten später hörte ich über Funk, dass die Army eine Einheit losschickte, um zu ermitteln, warum ich den einen Kerl erschossen hatte.
Wie bitte?
Ich hatte der Armee-Leitung über Funk bereits berichtet, was geschehen war, aber ich ging wieder an den Apparat und wiederholte das Ganze noch einmal. Ich war überrascht – sie glaubten mir nicht.
Ein Panzerkommandant kam und verhörte die Frau des Toten. Sie erzählte ihm, ihr Mann sei auf dem Weg zur Moschee gewesen und habe einen Koran in der Hand gehabt.
Soso. Die Geschichte war absolut lachhaft, aber der Offizier – der, so nahm ich an, noch nicht sehr lange im Irak war – glaubte mir nicht. Die Soldaten begannen nach dem Gewehr zu suchen, aber mittlerweile waren so viele Leute vor Ort, dass die Waffe längst verschwunden war.
Der Panzerkommandant zeigte in meine Richtung. »Kam der Schuss aus dieser Richtung?«
»Ja, ja«, sagte die Frau, die natürlich keine Ahnung hatte, woher der Schuss gekommen war, weil sie nicht ansatzweise in der Nähe gewesen war, als es passierte. »Ich weiß, dass er zur Army gehört, weil er eine Army-Uniform trägt.«
Tatsächlich war ich weit weg vom nächsten Fenster gewesen, als ich geschossen hatte, hatte einen Sichtschutz vor mir aufgebaut und trug eine graue Jacke über meinem SEAL-Kampfanzug. Vielleicht halluzinierte sie in ihrer Trauer oder vielleicht sagte sie einfach
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