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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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ich weiß, auch vollkommen aufrichtigen Herzensgüte existierte.
    »Ist es nicht besser, dass keine Kinder da sind?«
    »Besser für wen? Besser für Charles und Googie. Aber nicht für sie. Den Erben zur Welt zu bringen ist der einzige sinnvolle zweite Akt für die erste Frau. Denk doch an Consuelo Vanderbilts Triumph, als sie als Mutter des neuen Duke zum verhassten Blenheim zurückkehrte ! So etwas wird es für die kleine Edith nicht geben.« Sie seufzte müde. »Und alles wegen dem!«
    »Ich dachte, du magst ihn ganz gern.«
    »In seiner albernen, blonden Art ist er recht unterhaltsam, aber kaum das Schiff, dem ich die Last meines Lebensglücks anvertrauen würde. Was hat sie sich bloß dabei gedacht?«
     
    Ähnliche Gedanken schossen Edith durch den Kopf, als auch sie dorthin zurückkehrten, was sie als Zivilisation betrachtete. Tief im Inneren empfand sie dumpfe Enttäuschung. Sie war wieder einmal auf einer »Showbusinessparty« gewesen und erinnerte sich an die Bilder, die dabei früher in ihr aufgestiegen waren: temperamentvolle Schauspielerinnen, grell geschminkte Schönheiten in paillettenbesetzter haute couture , charismatische jüdische Schriftsteller, die in den Ecken der Räume die Zuhörer in ihren Bann schlugen, Sängerinnen, die einem betrunkenen Pianisten beisprangen, und die ganze Zeit perlendes Gelächter … Wenn sie es sich recht überlegte, waren diese Bilder mehr oder weniger unverändert dem Film Alles über Eva entsprungen. Jedenfalls hatten sie wenig mit diesen Vorortmenschen zu tun, die sich von Biokost ernährten und von ihrem Griechenlandurlaub erzählten.
    Auch das faszinierte Interesse dieser Leute an ihr als Vertreterin einer anderen und offenbar missbilligten Welt konnte ihr gestohlen bleiben. Der Glamour der Theaterwelt ließ sie nicht kalt, doch sie hatte mitbekommen, dass Glamour an sich bei den echten Schauspielgrößen kein Wert mehr war. Das Ganze wurde noch schlimmer, weil sie diese seltsame Arena nicht, wie insgeheim erwartet, als Attraktion betreten hatte, sondern als Kuriosität.
    »Was für ein grässlicher Haufen! Wer sind diese Leute überhaupt?«
    Simon gab nie eine Antwort auf solche Fragen, die im Grunde auch nur rhetorisch gemeint waren. Sie wussten beide, dass Edith damit sagen wollte, sie finde die Theaterleute »gewöhnlich«, auch wenn ihr dieses Urteil nie über die Lippen kam. Simon ging nie darauf ein, weil es ihn einerseits nicht interessierte, ob sie gewöhnlich waren oder nicht, da dies für ihn keinerlei Bedeutung hatte; andererseits hegte er in seinem Innersten den Verdacht, dass er nach Ediths Maßstäben selbst ziemlich gewöhnlich war. »Mir hat’s gefallen«, sagte er.
    »Dir hat auch nicht ein grässlicher Mann mit einer Stimme wie eine Schüssel Obstsalat den ganzen Abend lang die Hand abgeschlabbert. Werden alle deine Partys so sein?«
    »Werden alle deine Partys aus sechs höheren Töchtern bestehen und jemandem, der Geld bei Lloyd’s verspekuliert hat? Wenn ja, dann nehme ich lieber den Obstsalat. Jederzeit.«
    Sie fuhren schweigend nach Hause.

16
    An einem Spätnachmittag, als ich Verschiedenes zu erledigen hatte, war ich in der Fulham Road, wo ich für Adela bei Colefax & Fowler eine Borte abholen sollte, die sie vor einigen Wochen bestellt hatte. Normalerweise hätte ich einen solchen Auftrag abgelehnt, da damals (anders als heute) alle Verkäuferinnen dort eine Schulung in höherer Unhöflichkeit durchlaufen haben mussten, doch Adela blieb hartnäckig bei ihrer Bitte, und ich wurde dann von einer recht freundlichen Dame bedient. Wie Adela vermutet hatte, war die Bestellung immer noch nicht eingetroffen, was der Dame sehr Leid zu tun schien.
    Jedenfalls entschuldigte sie sich in aller Form und vertröstete mich mit der üblichen Versicherung, dass die Ware nächste Woche sicher da wäre. Währenddessen schweifte mein Blick in Richtung Straße ab. Und da sah ich sie – Ediths Mutter, die müßig die Ständer mit Mustern durchging. Ich hatte Mrs. Lavery vor fast genau zwei Jahren zum letzten Mal gesehen, bei den Hochzeitsfeierlichkeiten. Wenn ich an die siegreiche Gestalt dachte, die im Roten Salon in Broughton vor befriedigtem Ehrgeiz bebte, ging es mir nahe, sie jetzt so verstört zu sehen, eine gebrochene Seele. Sie richtete ihren ausdruckslosen Blick auf die großen Stoffstücke, die an ihrem Gesicht vorbeiflatterten, doch sie nahm nichts wahr. Nichts außer der Zerstörung aller ihrer Träume, ein Alptraum, der sich in ihrem Kopf

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