Snobs: Roman (German Edition)
meine Art war ich genauso perplex wie Lady Uckfield, warum er nicht eine Frau aus seinen eigenen Kreisen gewählt hatte, die sich in seiner Welt auskannte, mit deren Mitgliedern vertraut war, den Vorsitz karitativer Einrichtungen übernommen, ihre Pferde geritten und sich ohne Vorbehalte zur kleinen Dorfherrscherin aufgeschwungen hätte, ohne sich insgeheim lächerlich vorzukommen, wie man es bei Ediths Auftritten so oft gespürt hatte. Aber es war nun einmal so. Charles hatte sich in Edith Lavery verliebt und liebte sie ohne jeden Eigennutz. Und auch wenn sie seiner Selbstachtung, ja, seinem ganzen Leben einen fürchterlichen Tiefschlag versetzt hatte, war seinem Blick klar zu entnehmen, dass er sie immer noch liebte.
»Adela hat sie neulich bei irgendeiner Veranstaltung getroffen.«
»Wie ging es ihr da?«
»Ganz gut, glaube ich.« Ich bewegte mich hier auf heiklem Terrain. Ich wollte nicht sagen, dass Edith ziemlich niedergeschlagen aussah, denn damit hätte er womöglich neue Hoffnung geschöpft, die zwangsweise enttäuscht würde; genauso wenig wollte ich sagen, dass sie im Glück schwamm, denn dies hätte ihm unnötige Schmerzen verursacht. Außerdem entspräche es nach allem, was ich von Adela mitbekommen hatte, schlichtweg nicht der Wahrheit.
»Werden Sie sie bald wiedersehen?«
»Ich wollte sie demnächst zum Lunch einladen.«
»Sagen Sie ihr – sagen Sie ihr, ich werde alles tun, was sie will. Sie wissen schon. Ich werde keine Schwierigkeiten machen.« Ich nickte. »Und sagen Sie ihr alles Liebe von mir«, setzte er hinzu.
Wie vorauszusehen hatte David seinen Aufenthalt in Walhalla nicht genossen. Wie so oft in solchen Fällen folgt der Verwirklichung des Traums die Unzufriedenheit auf dem Fuße. Vielleicht weil David und Konsorten sich als Mitglieder des magischen inneren Zirkels sehen, befreundet mit dem halben Adel, mit dem sie Geschichten über Kindheitsfreunde austauschen und Pläne für den gemeinsamen Kauf einer Villa in der Toskana schmieden. Doch was dabei herauskommt, wenn sie sich tatsächlich unter den Adel mischen, muss sie zwangsweise verbittern und verärgern, denn von jenen Leuten, die sie zeitlebens bewundert und nachgeahmt haben, werden sie als Fremdkörper brüskiert.
»Ich muss schon sagen«, brummte er, als er sich auf den Rücksitz meines Wagens schob, »diese Bohuns fand ich ganz schön anstrengend. Kennst du die?«
»Ihn habe ich früher öfter gesehen.«
»Wirklich? Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll.«
Ich lächelte. »Er ist ein Trottel. Wie ist sie denn so?«
»Ziemlich schwierig, würde ich sagen.«
Isabel nickte. »Diana Bohun hat einen hohen Preis bezahlt und der einzige Ausgleich dafür ist der Neid von Fremden. Ich frage mich,
wie lange sie das erträgt. Wahrscheinlich werden wir in fünf Jahren lesen, dass sie mit dem Dorfarzt durchgebrannt ist.«
Adela schüttelte den Kopf. »Nein, sicher nicht. Ich habe sie als Debütantin kennen gelernt. Sie würde sogar bei Saddam Hussein bleiben, wenn er ihr einen Titel und ein Haus einbrächte.«
Isabel zog die Augenbrauen hoch. »Ich glaube, Saddam Hussein wäre mir lieber.«
Ich fand diesen Wortwechsel aufschlussreich, denn auch wenn sich die drei über die erbärmliche Heuchelei Diana Bohuns lustig machten, merkte ich, dass Adela und David und sogar Isabel, egal, was sie behaupteten, ihren Pakt mit dem Teufel im Grunde billigten. Vielleicht wäre keiner von ihnen bereit gewesen, jemanden zu heiraten, den er wirklich abstoßend fand, doch die Frauen in ihrem Bekanntenkreis, die dies getan hatten (und davon könnte ich in meinem alten Adressbuch mindestens sieben finden), waren deshalb in ihren Augen keineswegs verachtenswert, solange sie die Vertragsbedingungen einhielten. Was man Edith wirklich übel nahm, war nicht, dass sie Charles nicht aus Liebe geheiratet hatte, sondern dass sie ihn aus Liebe zu einem anderen Mann verlassen hatte. Man betrachtete es als Torheit, dass Edith sich von den falschen Werten abwandte, denen sie sich mit der Heirat verschrieben hatte, und wieder zu den zeitlosen Tugenden zurückkehren wollte. Ihre Entscheidung war nicht weltklug, nicht mondän. Die Amerikaner mögen vorgeben, eine solche Einstellung in ihrer Literatur, wenn nicht gar in ihrem Leben zu bevorzugen, doch die Briten, zumindest die Briten der oberen Schichten, tun dies nicht. In den Vereinigten Staaten wird die Abdankung Edwards VIII. wegen seiner Heirat mit Wallis Simpson als romantische Liebesgeschichte
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