Snobs: Roman (German Edition)
Brautjungfer sein oder so.« Alice war die älteste Tochter der Eastons. Sie war nicht gerade eine Schönheit, hatte aber ein sehr gewinnendes Wesen.
»Nein.« Isabel klang vor Enttäuschung ganz niedergeschlagen. »Edith hat es versucht, damit aber offenbar eine Kontroverse ausgelöst. Es gab da Ansprüche von allen Seiten, daher hat sie beschlossen, kleine Kinder zu nehmen. Ist eigentlich auch viel netter«, setzte sie trübsinnig hinzu. Ich merkte, dass sie noch nicht fertig war. »Ich habe mir Gedanken über Charles Junggesellenabschied gemacht.«
»Was ist damit?«
»Feiert er?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich.«
»Aber du bist nicht eingeladen?«
»Nein. Sollte ich denn eingeladen sein?«
»Nun, David hat sich nur gefragt, ob er oder ihr beide etwas deswegen unternehmen solltet … etwas organisieren …« Ihre Stimme verlor sich.
»Schlag dir das bloß aus dem Kopf. Wir kennen ihn doch kaum – wo denkst du hin?«
»Da hast du allerdings Recht.« Ich fragte mich, ob David vielleicht mit im Zimmer war. »Vielleicht sagst du uns Bescheid, wenn du eingeladen wirst.«
Davids eifersüchtiges Lauern im Hintergrund wurde langsam lästig. Er warf nun offenbar bei jeder Gelegenheit mit Charles’ Namen um sich und konnte die Schmach nicht ertragen, vor aller Augen vom Kreis seiner engen Vertrauten ausgeschlossen zu bleiben.
»In Ordnung«, sagte ich, »aber ich werde sicher nicht eingeladen.«
Aber einen Monat später, zehn Tage vor der Hochzeit, wurde ich doch noch eingeladen. Vermutlich, weil jemand abgesprungen war. Eine Gruppe von zwölf Gentlemen sollte in einer Woche, drei Tage vor dem Großereignis, nach Paris fliegen, um im Ritz zu speisen und zu übernachten. Ein Fahrradkurier überbrachte mir das Ticket, ich bräuchte nur zum verabredeten Zeitpunkt abholbereit in meiner Wohnung zu sein. Der Flug ging vom City-Flughafen ab. Statt Isabel anzurufen, redete ich mit Edith. »Ich bin zu Charles’ Feier eingeladen worden.«
»Ich weiß. War ausschließlich seine Idee. Ich glaube, das wird eine tolle Sache, du nicht? Ich liebe das Pariser Ritz.«
»David fährt vermutlich nicht mit?«
»Nein. Das Ganze wird von Henry Cumnor und Charles’ Onkel Peter organisiert und bezahlt, da können einfach nicht alle dabei sein.«
»Na, ich werde es wohl David beibringen müssen.«
»Ich habe es Isabel schon gesagt.« Edith schwieg einen Moment. »Ehrlich gesagt finde ich sie wirklich lästig. Ich habe Isabel von Herzen
gern, aber sie wollen die ganze Zeit ›beste Freunde‹ sein. Ich komme mir vor wie die Heldin eines dieser Mädchenpensionatsromane von früher. Im Grunde kenne ich David gar nicht so gut, und Charles ist ihm kaum begegnet.«
»Meine Liebe«, sagte ich wissend, »das ist erst der Anfang.«
Am folgenden Samstag um drei klingelte ein livrierter Chauffeur an meiner Souterrainwohnung und nahm meinen bereitstehenden Koffer, um ihn zum Wagen hochzutragen. Zu Ehren der feinen Gesellschaft, in der ich mich befinden würde, hatte ich mir den Luxus eines neuen Koffers geleistet, und so war es besonders ärgerlich, als er an der Ecke der Treppe hängen blieb und einer der Griffe abriss. Als Folge kam ich mir trotz meiner horrenden Geldausgabe auf der ganzen Reise ziemlich armselig vor. Sic transit gloria mundi .
Henry Cumnor saß bereits im Wagen und seine Körpermassen breiteten sich in dicken, in ein Hemd von Turnbull & Asser gehüllten Wülsten aus; neben ihm blieb nur ein schmaler Streifen freien Leders. Als ich einstieg, fühlte ich mich wie Carrie Fischer neben Jabba the Hut in Star Wars . Ich kannte Henry ein wenig, wir hatten zufällig dieselbe Schule besucht, wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten, was mir einen dünnen Schutzschild verschaffte, den ich seiner Exklusivität entgegenhalten konnte – einen sehr dünnen allerdings. Jedenfalls war ich schon vorgewarnt, was mich erwartete, da Edith eine sehr lustige Geschichte über ihre »erste Verabredung« mit Charles zum Besten gegeben hatte.
Auf dem Beifahrersitz saß ein weiterer Mitreisender, der mir flüchtig als Tommy Wainwright vorgestellt wurde; ich erkannte ihn als ein aufstrebendes Parlamentsmitglied – wenn zu dieser Zeit von einem aufstrebenden Tory überhaupt die Rede sein konnte. Wenn ich mich recht erinnerte, war er in einem jener Porträts, die sich in den Sonntagsbeilagen so großer Beliebtheit erfreuen, als jüngerer Sohn aus dem Hochadel vorgestellt worden. Daher überraschte es etwas, ihn in der Gruppe der
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