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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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zuliebe, vielleicht aber auch aus Rücksicht auf mich wollte er mit sichtlicher Entschiedenheit dafür sorgen,
dass ich mich nur ja nicht ausgeschlossen fühlte. Denn alle in dieser Gruppe (mit Ausnahme von Chase) hatten schon im Kindergarten miteinander gespielt, und Charles befürchtete, sie könnten unhöflich zu einem Schauspieler sein, von dem sie nie gehört hatten. Ich fand seine Bemühungen rührend, aber er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Ich war nicht immer Schauspieler gewesen. Ich hatte nicht nur dieselbe Schule wie Cumnor besucht, sondern erkannte auch einen Spielkameraden aus der privaten Grundschule, einen Freund aus den Tagen meines gesellschaftlichen Debüts und einen Bekannten aus Cambridge wieder. Außerdem wusste ich, dass Lord Peter einmal mit einer Cousine meiner Schwägerin verlobt gewesen war, also hatte ich von dieser Gruppe kaum etwas zu befürchten. So klein war diese Welt, die immer noch in einem Land mit sechzig Millionen Einwohnern existiert, ein Jahrhundert, nachdem die Sozialisten erstmals an die Macht kamen.
    Es war eine weitere Auszeichnung für mich, als sich Charles in der kleinen Maschine, die für unsere Unternehmung gechartert worden war, neben mich setzte. Ein flotter Steward brachte uns noch mehr Champagner mit einem winzigen Klecks Kaviar in einem etwas zähen Blini, und wir machten es uns bequem.
    »Das ist ja alles wunderbar«, sagte ich.
    »Ich freue mich, dass Sie kommen konnten.«
    »Ich mich auch.«
    »Ihnen verdanke ich die Bekanntschaft mit Edith.«
    Ich lachte. »In den nächsten Jahren wird sich herausstellen, ob ich dafür Lob oder Tadel verdiene.«
    Charles war nicht zu Späßen aufgelegt. »Lob. Nur Lob, würde ich sagen.« Er hielt kurz inne. »Edith findet Sie wahnsinnig intelligent, wissen Sie?«
    »Das ist ja höchst erfreulich.«
    Er sah in sein Glas. »Sie hat natürlich selbst so viel Geist. Das finden Sie sicher auch.«
    Ich könnte nicht behaupten, dass ich darüber schon einmal nachgedacht hätte. Edith war mit Sicherheit keine Gertrude Stein. Ihre
Vorstellung von Intellektualität bestand in der Lektüre des neuesten John Mortimer. Doch sie besaß viel Witz, und meiner Erfahrung nach sind witzige Menschen selten dumm. »Es macht mir immer Freude, sie zu sehen, was wahrscheinlich gleichbedeutend damit ist«, sagte ich.
    Er lächelte ein wenig ironisch. »Nun, hoffentlich macht es auch ihr immer Freude, mich zu sehen.« Ich murmelte etwas Banales zur Beruhigung, doch er wollte es noch nicht dabei belassen. Er seufzte tief auf. »Ich hoffe, ich bin ihrer würdig«, sagte er. Ich kämpfte gegen den Drang an, über diesen Komödiendialog, in den ich da plötzlich hineingeraten war, zu lächeln. Als Einstimmung für einen Herrenabend waren Charles’ Gefühle etwas fehl am Platz, aber darum nicht weniger tief empfunden. Er besaß als typischer Vertreter seiner Schicht in seinen Ausdrucksmöglichkeiten keine Originalität und musste fast immer Anleihen bei Kinoklischees nehmen, wenn er Worte für Liebe oder Hass oder anderes suchte, was nicht von den Regeln des Jockey Clubs abgedeckt war. Ich erklärte, ich sei mir sicher, keiner könne würdiger sein, und wer hier großes Glück gehabt habe, sei Edith, und er erweise ihr eine große Ehre und so weiter. Solchen Dingen fühle ich mich normalerweise durchaus gewachsen, doch diesmal traf ich nicht ganz den richtigen Ton. Er unterbrach den Strom meines Zuspruchs. »Ich hoffe nur, ich bin klug genug für sie. Ich will nicht, dass sie sich mit mir langweilt.« Er lachte und zog die Augenbrauen hoch, als hätte er einen Scherz gemacht, doch ich sah, dass er es ernst meinte – und auch, dass seine Ängste nicht unbegründet waren. Edith war kein Einstein, doch auch ich hatte schon einmal gedacht, dass der Moment kommen könnte, wenn ihr der Besuch von Pferderennen in Gesellschaft gut gekleideter Menschen, die sich in Allgemeinplätzen erschöpften, womöglich nicht mehr genügte. Doch mir fiel keine hilfreiche Bemerkung ein – ich konnte ihn ja kaum für seinen Scharfblick loben.
    »Charles«, sagte ich, »wenn mich etwas in Verlegenheit bringt, dann ist es Bescheidenheit, und für heute Abend ist Schluss damit.«
    Er lachte, und der Moment war überstanden.
    Ich liebe Paris. Es gibt Städte, in denen man sich nur mit Hilfe ihrer Bewohner amüsieren kann, und andere, in denen alle ihren Spaß haben können. Dazu gehört Paris – zum Glück, wenn man bedenkt, was man sich von den Parisern im

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