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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Ein Fremder gerät oft in die Lage, dass er eine Dame zu gut kennen lernt, um sie weiterhin Lady XY zu nennen, aber bei weitem nicht gut genug, um sie als »Würstchen« zu betiteln; die Verwendung des Vornamens ist in diesen Kreisen wiederum ein sicheres Zeichen, dass man eine Person überhaupt nicht kennt. Und so bleibt jedem »Neuen« die normale Entwicklung zu freundlicher Vertrautheit verwehrt, die bei Bekanntschaften in anderen Schichten üblich ist.
    Das Essen wurde angekündigt; meine Partnerin war mühsam auf die Beine gekommen und stützte sich nun schwer auf mich. Zumindest für sie war diese Prozession Arm in Arm nicht nur die selbstbewusste Wiederholung einer alten Zeremonie, sondern ein überaus notwendiger Dienst. Einige Paare vor uns sah ich Lady Uckfield, die fröhlich auf einen total verschreckten Kenneth Lavery einredete. Die beiden erinnerten mich an den Einzug der vorderen Bänke des Unterhauses ins Oberhaus anlässlich der Ansprache der Königin; die Tory-Minister werden immer gefilmt, wie sie hektisch ihre düster und ernst blickenden Gegenspieler aus dem Sozialistenlager anschwatzen. Hinter ihnen ging Edith am Arm von Lord Uckfield. Sie trug ein langes schwarzes Samtkleid mit tiefem Rückenausschnitt und langen Ärmeln und hatte auf Schmuck verzichtet. Die Wirkung war schön und melancholisch zugleich, erinnerte an eine trauernde Julia. Vermutlich fand Edith, es wäre geschmacklos, sich allzu fröhlich zu geben.
    Lady Tenby folgte meinem Blick. »Sehr gut aussehend, keine Frage. Aber wer zum Kuckuck ist sie?«
    Ich lächelte zu ihr hinunter. »Sie ist eine sehr gute Freundin von mir«, antwortete ich.
    »Oh«, machte Lady Tenby, und wir verfielen in Schweigen.
    Später erfuhr ich, dass die Countess von Tenby Witwe und Mutter vierer Töchter war und sich als Lady Uckfields Cousine zweiten Grades immer Hoffnungen auf Charles als Schwiegersohn gemacht hatte. Das war kein abwegiger Wunsch. Alle vier Töchter waren nette, recht hübsche Mädchen, von denen wahrscheinlich jedes Charles glücklich gemacht hätte. Letztlich machte nur die Älteste, Lady Daphne, eine in den Augen der Mutter »gute« Partie (obwohl es sich um einen jüngeren Sohn handelte, der den Titel nicht erben würde), zwei Töchter heirateten nichtssagende junge Schnösel, und die Jüngste und Attraktivste ging nach Kalifornien und lebte mit dem Gründer einer zwielichtigen Sekte zusammen. Lady Tenby war durchaus keine unangenehme oder unvernünftige Person. Sie hatte in ihre Töchter viele Jahre Arbeit investiert, deren Dividende äußerst mager ausfiel, und nun war sie an diesem Abend eingeladen worden, um Zeugin des Triumphs einer Außenseiterin zu werden, einer Fremden, die sich im Schutz der Dunkelheit in ihr Lager eingeschlichen und sich das fetteste aller Schafe geschnappt hatte. Natürlich würde sie lächeln und gratulieren und Küsschen verteilen, doch dann würde sie nach Hause gehen und sagen, dass Googie und Tigger einfach wunderbar gewesen seien, dass ihnen niemand ihre Enttäuschung habe anmerken können, dass das Mädchen letzten Endes sehr hübsch sei und Charles sehr gern zu haben schien. Das hätte genügt, um Edith für immer als Glücksritterin zu brandmarken.
    Das Essen war köstlich, was mich nicht wenig überraschte. Ich hatte die von der Generation meiner Eltern üblicherweise gebotene Kost erwartet, die stärker an den Mittagstisch eines Mädchenpensionats erinnert als an die Kreationen eines Starkochs, doch da kannte ich Lady Uckfields Liebe zum Detail noch nicht. Zu meiner Linken hatte ich Lady Tenby und verbrachte den ersten Gang mit einem jener Gespräche, die mit »Ach, Sie sind Schauspieler? Wo könnte ich Sie gesehen haben?« beginnen und immer so dämpfend aufs Gemüt wirken, doch als die Teller abgeräumt waren und ich mich meiner Nachbarin rechts zuwenden durfte, einer Frau etwa meines Alters mit herben
Zügen, fand ich in ihr eine recht interessante Gesprächspartnerin, die sich mir als Charles’ Schwester Caroline vorstellte.
    »Sie sind also ein alter Freund von Edith?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht, ob man das wirklich ›alt‹ nennen kann. Ich kenne sie seit etwa eineinhalb Jahren.«
    »Länger als wir«, sagte sie mit einem forschen kleinen Lachen.
    »Und glauben Sie, Sie werden sie mögen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Caroline und sah zu Edith hinüber, die behutsam mit ihrem künftigen Schwiegervater flirtete. »Ich kann mir schon vorstellen, sie zu mögen. Die Frage ist nur: Wird

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