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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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setzte. »Und versuchen Sie, den Champagner diesmal richtig temperiert zu servieren.« Er wandte sich zu mir. »Wir haben uns im Haus meiner Schwiegereltern kennen gelernt, nicht wahr?« Ich nickte. »Sie waren mit diesen grässlichen Freunden von Edith da.« Wieder nickte ich, weil ich mir den Abend wegen Isabel und David nicht zu ruinieren gedachte. Doch wie alle Rüpel wollte er nicht so leicht locker lassen. »Wo hat sie denn die aufgegabelt, um Himmels willen?«
    »Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich allerdings kenne Isabel seit meiner Kindheit.«
    »Sie Ärmster. Wollen Sie was davon?« Ohne meine Antwort abzuwarten, schüttete er mir Wein ins Glas. »Nun, ich fürchte, die kleine Edith muss noch ganz schön zulegen, damit sie es schafft.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wenn sie bestehen will. Als Lady Broughton.« Er begann den alten Bluesklassiker zu singen: »There’ll be some changes made.« »Ach, ich weiß nicht«, sagte ich. »Ihnen hat man doch die Ehe mit Caroline ungestraft durchgehen lassen.« In gewisser Hinsicht war das natürlich ein Fehler, und Chase wandte sich seinem Nachbarn auf der anderen Seite zu, nachdem er mich als Feind geortet hatte; doch ich wiegte mich im angenehmen Gefühl, Ediths Ehre gerettet zu haben. Wie viele aggressive Emporkömmlinge, die die schlüpfrige Stange erklommen hatten, unterlag er der Täuschung, dass man ihn seine gesellschaftlichen Mängel deshalb nicht spüren ließ, weil sie nicht länger sichtbar waren. Unhöflich, wie er selbst war, glaubte er
auch bei anderen nicht an Höflichkeit. Das war sein Panzer. Es bereitete mir sogar ein gewisses Vergnügen, ihn zu verärgern, da ich ihn auf Anhieb ziemlich unsympathisch gefunden hatte; außerdem war meine Behauptung, ich sei als Ediths Vertreter hier, nicht nur als Witz gemeint.
    Die nächste Etappe des Abends hätte peinlicher nicht sein können. Wir wurden zu Chez Michou auf dem Montmartre gekarrt, ein handtuchgroßer Club, in dem diverse Drag Queens zu Plattenaufnahmen weibliche Stars mimten. Auf diese Idee war Lord Peter gekommen, der sich nach Kräften bemühte, seinem mir bereits vage bekannten Ruf als liebenswürdiger Trinker und ausgemachter Spaßvogel gerecht zu werden. Wir waren inzwischen alle schon ziemlich betrunken, da wir seit unserer Ankunft am Flughafen mehr oder weniger ohne Unterbrechung Champagner kippten. Das half dem Genuss der Darbietungen zweifellos nach, die wenig Überraschendes brachten: die Garland, die Streisand, eine ziemlich unwiderstehliche Monroe und eine überhaupt nicht getroffene Rita Hayworth, die »Long Ago and Far Away« nachstellte, einen Song, den Rita schon damals nicht selbst gesungen hatte. Mit oder ohne Drink vernahm ich langsam den lockenden Ruf meines Bettes und begegnete Tommys Blick, der mit einer Geste zur Tür wies, ob wir uns nicht verdünnisieren sollten, als der Conférencier – oder besser: die Conférencieuse? – auf die Bühne sprang. »Und nun möchte ich unsere Sondernummer für diesen Abend ankündigen, mit den besten Wünschen und meiner Gratulation. Meine Damen und Herren: Miss Edith Lavery!«
    Ich sprang fast vom Stuhl, als der junge Mann, der die Monroe gegeben hatte, als Edith erschien. Eine übertrieben geschminkte Edith mit einer Art von Glamour, die die echte nicht besaß, aber ansonsten erstaunlich wirklichkeitsgetreu. Bis zum Kleid, das eines ihrer eigenen hätte sein können. Ich sah Charles an. Er war genauso verblüfft wie wir alle. Peter grinste natürlich wie ein Honigkuchenpferd. Auf der Bühne stimmte der junge Mann alias Edith ein Lied aus Schwere Jungen und leichte Mädchen an. »Wenn Sie mich fragen, Sir, wie ich mich fühle, die Kleine aus bescheidenem Haus …« Sie tänzelte über
die Bühne zu Charles hinüber, der immer noch reglos dasaß. »Ich kann nur sagen, Sir, wär ich eine Glocke, ich würde klingen …« Etwa an dieser Stelle wurde mir klar, dass der Auftritt auf eine indirekte, schwer zu erklärende Weise eine ungeheuerliche Beleidigung Ediths darstellte. Die anderen begannen zu kichern, als die Blonde auf der Bühne herumscharwenzelte und ihr lächerliches Liedchen über das Glück trällerte, das sie gehabt hatte. Charles blieb stumm. Der junge Mann winkte ihn auf die Bühne, was sicher zur Absprache gehörte, doch Charles schüttelte den Kopf und blieb mit steinerner Miene sitzen. Der Schauspieler sah verwirrt zu Peter hinüber, der bei einem lachenden Eric und einigen anderen saß. Die Nummer geriet ins Stocken.

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