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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Eigenheit des Schauspielerlebens ist das intensive emotionale Verhältnis, das man bei der Arbeit zu den Kollegen entwickelt, um anschließend nach Hause zurückzukehren und sich nie die Mühe zu machen, auch nur den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und den Kontakt zu halten. Wochen tränenseliger Intimität, von sexuellen Beziehungen ganz zu schweigen, werden leichten Herzens und ohne Blick zurück abgeschüttelt. Dies lässt sich kaum vermeiden, denn das Entstehen einer solchen Vertrautheit liegt in der Natur der Arbeit, und die vielen Engagements machen es unmöglich, alle diese Beziehungen fortzusetzen. Dennoch
ist es ein seltsamer Gedanke, wie viele Menschen auf den Straßen Londons herumlaufen, die wesentlich mehr über einen wissen als die engsten Familienangehörigen.
    Umgekehrt ist nichts erfreulicher, als auf eine solche Freundschaft nach einigen Jahren Pause wieder zurückkommen zu können, da die Vertrautheit nicht lange aufgebaut werden muss. Sie ist bereits da. Man macht weiter, wo man vor zehn Jahren aufgehört hat, als nähme man eine unfertige Stickerei wieder in die Hand. So war es mit Bella. Sie besaß eine unbändig starke Persönlichkeit und ein dunkles, fast satanisches Gesicht – Joan Crawford mit einem Schuss Commedia dell’Arte –, dazu aber Herz und viel Witz, wenn auch eine gewisse Sprunghaftigkeit im Denken; als Dreingabe war sie auch noch eine geniale Köchin. Die Theatertruppe, für die wir gearbeitet hatten – sie als Hauptdarstellerin, ich als assistierender Inspizient –, war sogar für damalige Verhältnisse ungewöhnlich chaotisch, denn sie wurde von einem liebenswerten, versoffenen Zyniker geleitet, der die meisten Proben und sämtliche Aufführungen verschlief, so dass wir gemeinsam eine Menge Horrorgeschichten erlebten, über die wir nun lachen konnten.
    Kurz nachdem ich mein Hotelzimmer betrat und mir immer noch schwindelig vom orange-braunen Farbdesign war, das in solchen Räumen obligatorisch scheint, klingelte das Telefon. Es war Bella. Wir verabredeten uns in der Bar, in einer Stunde. Sie saß mit einem Mann am Tisch, den sie mir als Simon Russell vorstellte, ein Schauspieler, von dem ich bereits gehört hatte, der die gute Rolle (wenn in solchen Schmonzetten überhaupt eine Rolle unter diese Definition fällt) des Colonel John Campbell ergattert hatte, getreuer Liebhaber unserer Hauptheldin und in den letzten fünf Minuten des Films Duke von Argyll.
    Körperliche Schönheit ist ein Thema, um das sich viele herumwinden; fast jeder versucht ihre Bedeutung herunterzuspielen, um eine überlegene moralische Haltung zu beweisen, dennoch bleibt sie eines der Wunder menschlicher Existenz. Natürlich gibt es viele Menschen, die anziehend sind, ohne schön zu sein, genauso wie es langweilige
Schönheiten gibt, und die Gefahr der Schönheit liegt vor allem für junge Menschen darin, dass sie den trügerischen Anschein erwecken kann, das Leben wäre einfach. All das ist mir bewusst. Aber ich weiß auch, dass es von den vier großen Geschenken, die die guten Feen zur Taufe mitbringen oder nicht – Verstand, Rang, Schönheit und Geld –, die Schönheit verschlossene Türen öffnet. Ob es um ein Vorstellungsgespräch geht, eine Einladung zum Dinner, eine glanzvolle Beförderung oder die Mitnahme eines Anhalters an der Autobahn – jeder möchte es lieber mit einem attraktiven Gesicht zu tun haben, unabhängig von Geschlecht oder sexueller Neigung. Und niemand weiß das besser als die Schönen selbst. Sie besitzen eine Macht, vor der sie große Achtung haben, die für sie aber gleichzeitig selbstverständlich ist. Auch wenn die Moralisten ihre Vergänglichkeit predigen, geht diese Macht in der Regel nie vollständig verloren. Man kann sie noch in den Falten einer Neunzigjährigen aufspüren, die sich gebückt auf einen Stock stützt, an ihrer Eleganz und ihrem Selbstbewusstsein, deretwegen sich 1929 im Ballsaal die Köpfe umgedreht haben.
    Simon Russell war ohne Frage der schönste Mann, den ich je gesehen hatte. Ich spreche bewusst nicht von gutem Aussehen, denn dabei denkt man an eine männliche Einschränkung des Schönheitsbegriffs, an etwas Ruppiges, das seiner Unvollkommenheit wegen anziehend wirkt. Russells Gesicht hatte nichts davon. Es war einfach vollkommen. Dicke blonde Locken fielen ihm in die Stirn und überschatteten halb seine großen, überraschend blauen Augen. Die gemeißelte Nase einer griechischen Statue (ich mochte meine Nase nie, deshalb habe ich

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