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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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nicht widerstehen
konnte, mit Bella einen kurzen Blick zu wechseln, stürzten wir uns auf unsere Aufgabe, unsere Rolle als gute Gäste zu spielen.
    Simon war hoch erfreut, eine so attraktive Fürsprecherin gewonnen zu haben, setzte sich zu Edith aufs Sofa, kehrte seine verbindlichste Seite heraus und ergötzte sie mit Insiderstorys über die Filmszene.
    Nach wenigen Minuten glitzerte und funkelte er wie die Regent Street zur Weihnachtszeit. Ich beobachtete Edith, wie sie lachte und antwortete und die Haare zurückwarf und wieder lachte, und merkte, dass auch Charles, der mit seiner Mutter quer durchs Zimmer ein lockeres Gespräch führte, Edith beobachtete. Keinem von uns konnte verborgen bleiben, dass wir Edith schon seit Monaten nicht mehr so angeregt erlebt hatten, und ich hütete mich sorgfältig davor, Charles’ Blick zu begegnen, um nicht zum Mitwisser einer Erkenntnis zu werden, die ihn letzten Endes sehr unglücklich machen sollte. Als er zu mir sah, wandte ich den Blick rasch ab und gesellte mich zu Bella, die dem gebannt zuhörenden Tigger eine gewagte Geschichte erzählte, wie sie einmal über Nacht in einer Garage eingeschlossen war.
    Als wir dann ins Speisezimmer hinübergewechselt waren, verlief der Abend doch noch recht angenehm und unangestrengt. Das Essen war wie üblich ausgezeichnet und ich bemerkte, dass mich die Dienerschaft ein wenig zu hofieren begann – der übliche Umgang mit »Stammgästen«. Sobald feststeht, dass man wiederkommt, verzichten alle Bediensteten, die ihre Stellung ernst nehmen, auf das zweifellos große, aber unvermeidlich kurzlebige Vergnügen, einen von oben herab zu behandeln und – durchaus mit dem Einverständnis ihrer Herrschaft – schlichtweg zu brüskieren. Stattdessen legen sie eine respektvolle Vertraulichkeit an den Tag, die großzügige Trinkgelder und, falls das Gespräch auf sie kommt, eine lobende Erwähnung sichern soll. Dieser Kuhhandel kommt im Allgemeinen auch zustande. Ich kenne etliche Personen, die eigentlich über die Schmeicheleien des Personals ranghoher Aristokraten erhaben sein sollten. Doch sie glauben, dass ihnen diese Vertrautheit in Zukunft so manche Gelegenheit bieten wird, ihr enges Verhältnis zu einem großen
Haus vorzuführen, die anderen Gästen versagt bleibt. Solche Momente sind für sie ein Hochgenuss. Werden diese Beziehungen richtig gepflegt, entwickeln sie sich bald zu einem beiderseitigen, wenn auch leicht klebrigen Bewunderungsritual. Jedenfalls war ich ein wenig von mir selbst enttäuscht, als wir zurück zum Auto gingen, weil mir diese Ehrerbietung eine derart tiefe Befriedigung verschaffte. Bella und ich plauderten auf dem Heimweg, beide erleichtert, dass der Abend vorüber war und sich als einfacher erwiesen hatte als angenommen. Als wir Brook Farm erreichten, trödelten wir noch ein wenig draußen herum, während Simon hineinging und das Licht anschaltete.
    »Dann hat er also doch noch eine Eroberung gemacht«, sagte Bella.
    Ich nickte. »Zum Glück«, sagte ich. »Nach dem gestrigen Abend hatte ich schon befürchtet, ich müsste den Friedensstifter spielen.«
    »Das ist allerdings die letzte Rolle, in der ich dich hier sehe«, erwiderte Bella mit einem leisen Lächeln.
    Ich hob mahnend den Zeigefinger. »Red bloß keinen Skandal herbei. Wir kommen alle gut miteinander aus und haben hier einen gemütlichen Job. Weiter sollten wir gar nicht denken.«
    Bella lachte. »Vielleicht. Aber eins hast du übersehen.« Ich hob fragend die Augenbrauen. »Seit wir Broughton verlassen haben, hat er kein Wort geredet.«
    Sie hatte Recht. Ich glaube, auch mir war das aufgefallen, aber ich hatte die Beobachtung von mir weggeschoben. Kaum jemand war so bestätigungsbedürftig, so statushungrig und so bereit, seine Heldentaten in die Welt hinauszuschreien, wie Simon Russell. Wenn sich ein solcher Mann einen ganzen Abend lang der intensiven Zuwendung einer jungen, schönen Countess erfreut und dann keinerlei Bedürfnis verspürt, damit herumzuprahlen, dann bedeutet dies im Allgemeinen, dass die Geschichte erst begonnen hat.
    Und genau so war es auch.

12
    Ich war in dieser Zeit vielleicht kein so scharfer Beobachter wie sonst, da ich eine Weile vor dem Beginn der Dreharbeiten in Broughton meine zukünftige Frau kennen lernte. Sie spielt in Ediths Geschichte kaum eine Rolle, deshalb möchte ich nur so kurz wie möglich auf sie eingehen. Die Umstände unserer Begegnung waren nicht besonders ungewöhnlich. Wir lernten uns bei einer

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