Snobs: Roman (German Edition)
Stühle herumstanden, hatte ich keine Schuldgefühle.
»Warum, ist mir unbegreiflich.«
»Ausgerechnet du, mein Künstlerfreund, sinkst zu einer standesgemäßen Heirat herab.«
»Ich weiß nicht, ob ich mir ausgerechnet von dir so etwas sagen lassen soll. Es kommt doch sicher darauf an, ob das Standesgemäße eine Begleiterscheinung ist oder der hauptsächliche Beweggrund.«
Edith errötete leicht und verstummte. Die erste Regieassistentin gab uns ein Zeichen, dass wir nun schweigen müssten, und die Kameras rollten auf Simon und die ätzende Louanne zu. Sie machte einen Schmollmund und warf sich in die beste Positur für die Kamera. Wir hatten uns alle mehr oder weniger mit Jane Darnell ausgesöhnt, die die Lady Coventry spielte. Sie war zwar ungeeignet, hatte aber nichts Böswilliges an sich und schien von ihrer Fähigkeit, eine irische Schönheit aus dem achtzehnten Jahrhundert zu verkörpern, selbst nicht
mehr zu halten als wir. Im Grunde bestand ihr einziges echtes Interesse darin, Zaumzeug-Schmuckplaketten aus Messing für ihr Haus in Hollywood zu sammeln. Louanne Peters war ein ganz anderer Fall. Sie war von ihrem herausragenden Talent überzeugt, ihr Egoismus grenzte schon an Geisteskrankheit. Sie redete stundenlang von ihren Erfolgen und ihrem Aussehen, ihren Lovern und ihren astronomischen Gagen, ohne eine einzige Frage an ihre lustlosen Zuhörer zu richten. Erst dachte man, ihr Gerede sei als eine Art schwer durchschaubarer Witz gemeint und sie warte nur darauf, dass wir ihr auf die Schliche kämen, die Hände hochhielten und riefen: »Genug! Wir geben auf!« Doch es war weder ein Witz im Spiel, noch wartete Louanne auf eine Unterbrechung. Simon hasste sie, was ihren vom Text her eher dürftigen Liebesszenen nicht förderlich war.
Die Szene war abgedreht, und Simon und Louanne konnten kurz pausieren, als Adela den Weg entlang zu uns geschlendert kam. Mit ihrer Kordbundhose, dem Fischerpullover und den langen, mit einem Seidenschal straff aus dem Gesicht gebundenen Haaren stand sie in krassem Gegensatz zu Louanne mit ihren synthetischen Reizen und rückte einen Augenblick lang auch Ediths kunstvoll geschminktes Gesicht in ein etwas unvorteilhaftes Licht. Sie strahlte eine solche … Gesundheit aus. Aber natürlich war ich auch in sie verliebt.
Edith stand auf, um sie zu begrüßen. »Adela, wie schön, dass ich Sie endlich kennen lerne. Ich bin Edith Broughton.«
»Ich war schon genauso gespannt auf Sie!«
Die Frauen tauschten vorsichtige Begrüßungsfloskeln aus. Dass sie einander mit Zurückhaltung begegneten, hatte vor allem zwei Gründe, wobei Rivalität überhaupt keine Rolle spielte. Edith war an mir als Mann weder damals interessiert, noch war sie es je gewesen. Nein, es bereitete ihr vielmehr Verdruss, einen Vertrauten ziehen zu lassen, der gute Dienste geleistet hatte und verheiratet nie mehr so nützlich sein würde wie als Junggeselle. Wer spät heiratet, wird oft solche Reaktionen auslösen, auch wenn echte Freunde sie zu unterdrücken versuchen. Außerdem kommt noch eines hinzu: Glücklich verheiratete Freunde machen einen mit ihren ständigen Beteuerungen
wahnsinnig, die Ehe sei die einzig wahre Daseinsform; unglücklich Verheiratete betrachten es als ihre Mission, alle anderen von der Kirchentür wegzuscheuchen. Dies wird dann gern als Vehikel benutzt, um gleichzeitig den eigenen Partner, wenn auch halb im Scherz, öffentlich zu beleidigen. »Heiraten! Wieso, zum Teufel, willst du denn das?«, hört man bei einer Abendgesellschaft als spaßige Frage, und vom anderen Ende des Tischs wirft einem die Gattin einen säuerlichen Blick zu und beißt sich auf die Lippen. Bedenklicherweise war dies die Haltung, in die Edith langsam hineinrutschte, auch wenn es ihr sicher nicht bewusst war.
Adelas Vorbehalte waren subtilerer Art. Sie wusste natürlich genau, wer Edith war, und neigte vor unserer Bekanntschaft einer anderen Sicht der neuen Lady Broughton zu: dass Charles, mit dem Adela ein paar gesellschaftliche Begegnungen hatte, »geangelt« worden war. Ich hatte sie wenigstens dazu gebracht, sich mit ihrem Urteil noch zurückzuhalten, aber in Ediths Begrüßungston hatte Adela nicht zu Unrecht einen leisen Beiklang von Herablassung herausgehört. Edith, die Aristokratin, begrüßt die nette kleine Freundin des Schauspielers. Es ist schwer, solche Dinge korrekt einzuschätzen, doch trifft es zu, dass Edith zu diesem Zeitpunkt eine reichlich hochfahrende Art entwickelt hatte und sich wohl
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