Snobs: Roman (German Edition)
und hervorragend zusammengestellt, so dass ich genauso feige wie alle anderen vorgab, immense Geschmacksunterschiede zwischen verschiedenen Arten von Spargel zu erkennen – oder worin immer die Herausforderung
des Tages bestand. Je besser ich Lady Uckfield kennen lernte, desto mehr bewunderte ich die Konsequenz dieser Selbstdarstellung. Sie nahm sich nie eine Auszeit, sondern blieb immer die überaus charmante, aber überaus anspruchsvolle Marchioness vergangener Zeiten. Ich bin sicher, wenn sie zu einer hochriskanten Operation in den OP gerollt würde, würde sie einen ähnlichen Zirkus um die Marke der Chirurgenschere veranstalten.
Edith begriff nie die Stärke, die in dem von Lady Uckfield gewählten Weg lag. Sie empfand ihre Schwiegermutter als pedantische Nervensäge. Doch Lady Uckfield besaß eine Selbstdisziplin, die Edith alle Schwierigkeiten erspart hätte. Sie wusste nicht, was es hieß, sich zu langweilen – oder besser, sich einzugestehen, dass sie sich langweilte. Die Tatsache, dass sie mit einem Mann verheiratet war, der nicht einmal ein Viertel ihres Verstands besaß, beschwerte keine Sekunde lang ihr Gemüt. Sie hatte sich für ihren Weg entschieden und würde ihn erfolgreich zu Ende gehen, ohne Reue oder Bedauern. In unserem Jahrhundert, in dem man sich so gern gehen lässt, muss man einer solchen moralischen Entschlossenheit zumindest Respekt, wenn nicht Verehrung zollen. Und letzten Endes verlief ihr Leben in recht angenehmen Bahnen.
Lady Uckfield redete Simon natürlich auch aus einem zweiten Grund mit »Mr. Russell« an: um zu unterbinden, dass er sie weiter »Googie« nannte.
»Ich bin froh, wenn ich immer ein Engagement habe«, erwiderte er auf ihre Frage. »Ich denke nicht, dass es dazu viel mehr zu sagen gibt.«
»Wären Sie nicht gern ein großer Filmstar?« Das ist eine unfaire Frage an einen Schauspieler. Jeder möchte ein großer Filmstar sein, doch es besteht in der Zunft eine stillschweigende Übereinkunft, dies nicht zuzugeben.
Simon griff auf die Standardantwort zurück: »Ich will einfach gute Arbeit leisten.« Er wirkte verlegen bei diesen Worten, obwohl sie der Wahrheit näher kamen, als man vermuten würde. Noch näher käme ihr das Geständnis, er würde gern für gute Arbeit bewundert werden,
was nicht ganz das Gleiche ist. Aber was hätte er ihr antworten sollen? Natürlich wäre er gern ein großer Filmstar, wie Lady Uckfield vermutet hatte. Das war ihm genauso bewusst wie die Tatsache, dass man sich so etwas nicht anmerken lässt.
»Und werden Sie immer Schauspieler bleiben?« Hier verriet Lady Uckfield unwissentlich ihre eigenen Vorurteile und verwies Simon ganz klar in seine Schranken. Diese Frage wird häufig gestellt; niemals aber käme man auf die Idee zu fragen: »Und werden Sie immer Arzt bleiben? Werden Sie immer Wirtschaftsprüfer bleiben?« Das hat einen einfachen Grund: Auch wenn sich die Leute noch so viel Mühe geben, können sie die Schauspielerei nicht als »wirklichen« Beruf betrachten. Hier gibt es Unterschiede zwischen der Mittelschicht, wo man aus mysteriösen Gründen geradezu beleidigt reagiert, wenn sich jemand für eine Schauspielerkarriere entscheidet – als wolle er seinen Lebensunterhalt mit anrüchigen Tätigkeiten verdienen –, und der Oberschicht, wo man es in der Regel jedem mehr als vergönnt, wenn er sich gut amüsiert. Doch weder hier noch dort kann man ganz begreifen, dass jemand tatsächlich bei der Schauspielerei bleibt. Vielleicht, weil es nur wenige bis an die Spitze schaffen, auch wenn es in den letzten Jahren eine recht große Zahl in Luxus lebender Schauspieler gegeben hat. Dass der Durchbruch so schwer ist, liegt vielleicht an Vorurteilen, an mangelndem Temperament oder einfach an der Tatsache, dass der Weg für alle, die sich ihr Geld auch anders verdienen können, zu steinig ist; während fast jeder Aristokrat jemanden kennt, dessen jüngerer Sohn oder die Tochter sich an der Schauspielerei versucht hat, kennt fast keiner jemanden, der auf der Bühne Erfolg hat. Das macht natürlich nicht gerade zuversichtlich.
»Wirst du immer eine Marchioness bleiben?«, fragte Edith von ihrem Sofa aus, ohne den Blick zu heben.
Lady Uckfield sah ihre Schwiegertochter einen Moment lang an. Sie erfasste sehr wohl die Bedeutung von Ediths Einschreiten zu Simons Gunsten. Doch sie tat die Sache mit einem Lachen ab. »Wer weiß das heutzutage schon, meine Liebe?« Das Lächeln sprang auf die anderen über, und obwohl ich der Versuchung
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