Snobs: Roman (German Edition)
auf gefährliches Terrain locken ließ. Ich hatte Adela so weit bearbeitet, dass sie Edith nicht schneiden würde, doch begreiflicherweise würde sie den Teufel tun und sich nicht auch noch von oben herab behandeln lassen.
Die Dinge verschärften sich weiter, als just in diesem Moment Charles dazustieß, der sehen wollte, was vor sich ging. Er erkannte Adela, und flugs – ich glaube, aus Rache, auch wenn sie es abgestritten hätte – verwickelte sie ihn in ein Gespräch über mehrere gemeinsame Bekannte, die Edith nicht kannte. Kurz, sie setzte die von Edith gefürchtete Waffe des Namensaustauschs ein. Vermutlich hätte ich mich entrüstet auf die Seite der einen oder der anderen der beiden Opponentinnen schlagen sollen, doch diese Dinge regeln sich sehr gut ohne Hilfe von außen und ich sah ein, dass Adela einen gewissen Anlass für ihr Verhalten hatte. Ich erwartete wohl nicht einmal
damals, dass sie und Edith sich wirklich anfreunden würden. Adela kam Ediths eigenen Wunschvorstellungen von ihrer Existenz zu nahe (zumindest was ihre Vergangenheit betraf); zwar war meine Zukünftige im Allgemeinen kein Snob, aber auch nicht über die Versuchung erhaben, Menschen wie Edith in ihre Schranken zu verweisen. Ich nannte dies gern ihren »Vizeköniginnen-Modus«. Alles in allem konnte ich wohl höchstens eine Art gegenseitiger Toleranz von den beiden erwarten. An diesem Vormittag erbot sich Charles, Adela die Stallungen zu zeigen, und die beiden nickten mir zu und zogen los, bevor sich die Lage weiter aufheizen konnte. Edith sah ihnen nach.
»Diese Frau hätte Charles heiraten sollen.«
»Diese Frau wird mich heiraten.«
»Nein, ich meine, sie ist die Sorte Frau, die ihn glücklich gemacht hätte. Preisverleihungen, die Leitung des örtlichen Women’s Royal Voluntary Service. Siehst du das nicht?«
»Wenn er diese Sorte Frau hätte heiraten wollen, dann hätte er es getan. Es stehen Gott weiß genug davon zur Auswahl.«
»Das klingt nicht sehr schmeichelhaft für deine Zukünftige.«
»Du redest von ihren offenkundigen Attributen als Angehörige ihrer Zeit und Schicht, wie du richtig bemerkst. Ihre ungewöhnlichen Qualitäten, von denen du nichts weißt, haben sie dazu bewogen, statt eines reichen Earls einen verarmten Schauspieler mit Souterrainwohnung zu heiraten.«
»Na, in ihrer Gegenwart werden wir jedenfalls scharf aufpassen müssen, was wir sagen.«
Das konnte ich nicht hinnehmen. »Spiel uns nicht gegeneinander aus, meine Liebe. Wenn du das tust, muss ich dich warnen, dass ich in ihrer und nicht in deiner Mannschaft spiele.«
»Aua.«
»Wer sagt überhaupt, dass Charles eine andere als dich hätte heiraten sollen?«
Edith erwiderte nichts, sondern lehnte sich zurück und starrte in den Himmel.
»Ihr beide seht ja sehr angestrengt aus.« Simon näherte sich uns;
er hatte seinen bestickten Gehrock ausgezogen und sah mit seinen flatternden Leinenärmeln romantischer aus denn je. Er warf sich mit einer fröhlichen Missachtung seines Kostüms neben Edith aufs Gras. Ich sah, wie im Hintergrund sein Garderobier die Luft anhielt, doch Simon spielte jetzt Byron vor Edith als Caroline Lamb und würde sich durch solche Bagatellen wie Grasflecken nicht davon abhalten lassen. »Wo ist Adela? War sie nicht gerade hier?«
»Sie ist mit Charles die Ställe besichtigen gegangen«, sagte ich.
»Um sich mit ihm über alte Zeiten auszutauschen«, fügte Edith trocken hinzu.
Simon lachte. »Mannomann! Wenn die beiden nun gemeinsam auftreten, müssen wir uns ja ganz schön zusammenreißen!«
»Solche Bemerkungen sollten Sie lieber bleiben lassen«, sagte Edith. »Ich hab mir eben schon einen Rüffel eingehandelt.«
Simon warf mir einen drolligen Blick zu, der Schuldbewusstsein signalisieren sollte, doch mich interessierte mehr, wie stark sein gesellschaftliches Selbstvertrauen gewachsen war, dass er solche Witzeleien wagte. Ich ärgerte mich etwas, dass die beiden Adela und Charles über einen Kamm scherten und ihnen das Etikett »adlige Langweiler« verpassten, doch als ich Edith lächeln und mit Simon flüstern sah, erkannte ich sein raffiniertes Flirtmanöver. Er hatte seinen Spott auch auf mich ausgedehnt und mit diesem Trick verharmlost, dass er Edith auf seine Seite zog und sich mit ihrem Einverständnis über Charles lustig machte. Da begriff ich, dass Adela und ich für seine Ziele völlig irrelevant waren.
Es sickerte durch, dass Edith für dieses Wochenende aus Rachsucht wie auch aus Großzügigkeit
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