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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Erwartungen in ihre Tochter. Vielleicht war sie in ihrer Begeisterung für eine einfache Wahrheit blind geworden: Dass ihre Tochter bei den Veranstaltungen der Saison mit so offenen Armen empfangen worden war, lag lediglich daran, dass diese Institution in den Achtzigern nicht mehr so exklusiv war wie in Mrs. Laverys Jugend.
    Edith war sich der Enttäuschung ihrer Mutter bewusst. Auch sie war nicht immun gegen die Reize von Rang und Vermögen, wie wir bald erfahren werden, sah allerdings nicht ganz, wie sie den vertrauten Umgang mit den Töchtern der großen Häuser fortführen sollte. Erstens schienen sich alle schon von Geburt an zu kennen, und zweitens fand es Edith schwierig, den Ansprüchen dieser Mädchen in einer Wohnung in Elm Park Gardens gerecht zu werden. Es lief letztlich darauf hinaus, dass sie den meisten Mädchen ihres Jahrgangs weiter freundlich zunickte, gesellschaftlich aber auf derselben Stufe stehen blieb wie nach der Schule.
    Ich erfuhr dies alles recht bald nach unserer ersten Begegnung bei den Eastons, da Edith, wie sich herausstellte, einen Job als Empfangssekretärin eines Immobilienbüros in der Milner Street annahm, gleich um die Ecke meiner Souterrainwohnung. Ich lief ihr im Kaufhaus über den Weg, oder wenn ich ein Sandwich in einem der Pubs dieser Gegend aß, oder wenn ich mir um halb sechs eine Flasche Milch bei Partridges holte, und ohne es richtig zu bemerken, freundeten wir uns allmählich an. Eines Tages sah ich sie gegen eins aus einem Möbelgeschäft herauskommen und lud sie zum Mittagessen ein.
    »Hast du Isabel in letzter Zeit gesehen?«, erkundigte ich mich, als wir uns in einem dieser kleinen italienischen Restaurants, in denen die Kellner laut herumschreien, auf eine Bank quetschten.
    »Letzte Woche habe ich mit beiden zu Abend gegessen.«
    »Alles in Ordnung?«
    Es schien so, oder beinahe. Es gab gerade ein kleines Drama wegen
der Schulschwierigkeiten ihres Sohnes. Isabel hatte eine Dyslexie entdeckt. Ich bemitleidete den Direktor.
    »Sie hat nach dir gefragt. Ich habe gesagt, dass ich dich gesehen habe«, berichtete Edith.
    Ich erklärte, meiner Meinung nach habe mir Isabel noch nicht verziehen, dass ich ihr nichts von meiner Bekanntschaft mit Charles Broughton erzählt hatte. Edith lachte. In diesem Zusammenhang erfuhr ich einiges über ihre Mutter. Ich fragte, ob sie ihr etwas von unserem Besuch in Broughton erzählt habe. Charles beschäftigte mich gerade, weil ich am Vormittag zufällig einen dieser blöden Zeitschriftenartikel über begehrte Junggesellen gelesen hatte, wo Charles ganz oben auf der Liste stand. Ich muss gestehen, dass ich von der Menge seiner geschilderten Vorzüge ziemlich beeindruckt war.
    »Lieber Himmel, nein. Ich will meiner Mutter doch keinen Floh ins Ohr setzen.«
    »Zieht sie immer so voreilige Schlüsse?«
    »Und ob! In ihrer Fantasie würde sie mich flugs vor den Altar befördern.«
    »Willst du denn nicht heiraten?«
    Edith sah mich an, als wäre ich verrückt geworden. »Natürlich will ich heiraten.«
    »Dann siehst du dich also nicht als Karrierefrau? Ich dachte, heute wollen alle Frauen Karriere machen.« Ich weiß nicht, warum ich in diesen aufgeblasenen Antifeminismus abrutschte, weil er überhaupt nicht meine Meinung widerspiegelt.
    »Ich will jedenfalls nicht den Rest meines Lebens damit verbringen, in einem Maklerbüro das Telefon abzuheben, falls du das meinst.«
    Der Dämpfer geschah mir recht. »Das ist auch nicht ganz das, was mir unter Karriere vorschwebt«, sagte ich.
    Edith sah mich so nachsichtig an, als bräuchte ich Nachhilfe im kleinen Einmaleins. »Ich bin siebenundzwanzig. Ich habe keine Qualifikationen und, schlimmer noch, kein besonderes Talent. Außerdem bevorzuge ich einen Lebensstil, der mindestens achtzigtausend Pfund im Jahr erfordert. Wenn mein Vater stirbt, hinterlässt er alles Geld
meiner Mutter; auch erwarte ich nicht, dass einer von ihnen vor 2030 von der Bildfläche verschwindet. Hast du einen Vorschlag, was ich machen soll?«
    Ich weiß nicht, warum, aber der einer Anita Loos würdige Pragmatismus, der aus dieser kleinen Rosenknospe mit Haarband und adrettem marineblauem Kostüm tönte, verschlug mir kurz die Sprache.
    »Demnach hast du die Absicht, einen reichen Mann zu heiraten?«, fragte ich.
    Edith sah mich spöttisch an. Vielleicht dachte sie, sie hätte zu viel von sich preisgegeben, vielleicht wollte sie in Erfahrung bringen, ob ich über sie urteilte, und wenn, ob sie vor meinem Urteil bestehen

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