Snobs: Roman (German Edition)
nicht, ob er es wert ist, vielleicht nicht, aber ich liebe ihn nun einmal. Das ist alles. Du willst doch nicht, dass ich das erste echte Gefühl verleugne, das ich jemals hatte, oder?«
Ein Teil von mir hätte gern »Doch!« in ihr dummes Ohr geschrien, doch ich merkte, dass jetzt nicht der richtige Moment dafür war. Arme Edith. Wahrscheinlich stimmte es, dass diese Leidenschaft für Simon die erste echte Regung war, von der sie erschüttert wurde. Genau deshalb wusste sie so wenig, worauf sie sich da einließ. Sie würde nie vermuten, dass der Sex, so schön er sein mochte, ihr nach einem Jahr nicht länger den Blick auf das Leben verstellen würde, das sie zusammen führten. Außerdem kannte ich den mächtigen Ehrgeiz, der unter Ediths sanftem Äußeren lauerte. Die moderne Psychologie lässt sich ständig darüber aus, wie gefährlich es sei, die wahre Natur der eigenen Sexualität zu unterdrücken. Mir scheint es genauso gefährlich, seine Sexualität zügellos auszuleben und dafür andere Lebensziele zu unterdrücken. Edith war im Grunde das ehrgeizige Kind einer ehrgeizigen Mutter. Ganz unbewusst hatte sie begonnen, ihren Verrat mit der Annahme zu verteidigen, Simon würde schließlich reich und berühmt werden. Sie sah sich bereits im Silberfuchs (oder seiner glanzvollen Entsprechung in diesen ökologisch sensibilisierten Zeiten) bei einer Premiere, wie sie Kusshände in die wartende Menge warf und in eine Großraumlimousine mit Motorradeskorte stieg.
»Ach, Edith«, versuchte ich es mit einem weicheren Ton, »ich bin nicht hier, um dir Moral zu predigen. Ich möchte dir nur eins begreiflich
machen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Simon dir auch nur annähernd ein Leben bieten könnte, wie du es seit deiner Heirat genossen hast, ist gleich null.«
»Na, Gott sei Dank«, bemerkte Edith dazu nur.
Damit war das Thema abgehakt. Den Rest des Essens verbrachten wir mit ausgiebigem Klatsch. Da sie nun selbst mit der Theaterwelt Kontakt hatte, war sie einigen Leuten über den Weg gelaufen, die ich ebenfalls kannte, so dass sich unseren Bosheiten ein neues Betätigungsfeld eröffnete. Beim Gehen fragte sie mich nach Adela. Ich sagte, es gehe ihr gut. »Und sie missbilligt die Sache sicher wahnsinnig?«
»Nun, sie würde sie kaum wahnsinnig billigen. Wer würde das schon?«
»Sie hätte Charles heiraten sollen. Sie hätte ihm in guten wie in schlechten Zeiten die Stange gehalten.«
»Und soll ich deshalb schlecht von ihr denken?«
Sie lächelte und zerstrubbelte mir die Haare. »Du hast dein Geld in der Chaotenwelt verdient und in die etablierte Gesellschaft hineingeheiratet. Ich fühlte mich in dieser Gesellschaft wie eine Gefangene. Kannst du es mir verübeln, wenn ich mich nach ein bisschen Chaos sehne?«
Wir trennten uns recht freundschaftlich. Ich rief Charles an, der dankbar war und nun klang, als hätte er sich mit der Situation inzwischen besser abgefunden. Etwa eine Woche später bekamen die Zeitungen Wind von der Affäre, und damit war die Chance dahin, alles im Stillen zu regeln. Adela legte mir die bei Nigel Dempsters Kolumne aufgeschlagene Daily Mail auf den Frühstückstisch und ich betrachtete das Foto einer lachenden, vollbusigen Edith, das dafür ausgewählt worden war. Von Charles gab es ein eher düsteres Bild und von Simon eine fürchterliche Aufnahme, auf der er wie ein Schurke aussah, wahrscheinlich ein Standfoto aus einer Fernsehproduktion. Die Abbildungen und die Schlagzeile – »Die Countess und der Showbiz-Fuzzi« – machten bereits klar, für wen Dempster Partei ergriff. Fairerweise musste man ihm zugestehen, dass er Pragmatismus
(ausnahmsweise einmal) mit Anstand verband. Edith würde wohl nicht viele Fürsprecher um sich scharen.
Der Artikel selbst bestand aus einer mäßig genauen Schilderung der Begegnung in Broughton, dazu kam eine würdevolle Äußerung von Simons Frau, die ihr alle Ehre machte.
»Also wirklich!« Adela war bei solchen Verirrungen immer seltsam unnachsichtig. »Solche Idioten!«
Ich wusste nicht, warum es bei ihr derart Anstoß erregte, wenn das Herz über die Vernunft siegte. Schließlich hatte sie sich für mich entschieden, was ihre Mutter für eine unbedachte, gar an Irrsinn grenzende Wahl hielt.
»Warum ärgerst du dich so?«, fragte ich. »Ich finde das alles ziemlich traurig.«
»Traurig für Charles und diese bedauernswerte Frau mit ihren Kindern. Für die beiden anderen ist das nicht traurig. Die trampeln nur alles kaputt.«
Als Dempster die
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