Snow Angel
gewartet hat, als er aus dem Krankenhaus raus war.“
„Er ist an demselben Tag angeschossen worden? Da muss ich mal die Akten durchgehen.“ Schürle ist offenbar aufmerksam geworden, aber Nina ist noch nicht fertig. „Und ich weiß, dass er sie geliebt hat. Er hat sie so geliebt, dass er seitdem keine andere Frau an sich rangelassen hat.“
Nina entgeht nicht der weiche Ausdruck, den sie jetzt in den Zügen des Kommissars erkennt. Und obwohl sie keine Ahnung hat, was auf Simon zukommen kann, was ihm womöglich vorgeworfen wird, hat sie das eindeutige Gefühl, dass es gut ist, wenn sie jetzt genauer erzählt, wie schwer sie es hatte, an ihn heranzukommen. Dass es beinahe an ein Wunder grenzt, dass er sich für sie überhaupt geöffnet hat. Sie spart nicht mit Superlativen zu Simons Charakter, legt dem Kommissar ihre Gefühle zu ihm vor die Füße.
Nachdenklich sieht er sie an, als sie atemlos geendet hat. „Dann beantworten Sie mir doch bitte noch eine Frage, Frau Tewes: Warum wollten Sie am Sonntagmorgen so eilig weg?“
Nina ist warm geworden in ihrer glühenden Präventivverteidigung. Sie zieht den Mantel aus und es ist ihr nicht bewusst, wie verletzlich sie jetzt dasitzt in ihrem kurzen Kleid, mit den geröteten Wangen und den wirren Locken, die ihren nackten Rücken beinahe ganz bedecken.
„Er wollte mich nicht, Herr Schürle!“
Diese großen traurigen Rehaugen sind zu viel für Frederic. „Er wollte Sie nicht?“
„Nein, er wartete auf seine Laura. Seine komische Freundin Lizzy war bloß Tarnung. Nichts mit Liebe. Und bei mir hat er angefangen zu schwanken und konnte es dann doch nicht! Deshalb bin ich gegangen.“
„Kann ich verstehen, den Mann“, murmelt Schürle und muss sich mahnen, zu den Tatsachen zurückzukommen. „Wie kommt es dann aber, Frau Tewes, dass Sie plötzlich doch noch ein Paar geworden sind?“
Nina erklärt. Sie spricht von dem furchtbaren Montag und von dem Wiedersehen in der Disco. Ihre Farben sind so schillernd, dass ein Bild entsteht, bei dessen Betrachtung Frederic den Eindruck hat, er wäre dabei gewesen. Nicht für den Bruchteil einer Sekunde kommt ihm die Idee, an dem Wahrheitsgehalt der Ausführungen des Mädchens zweifeln zu müssen.
„Ich weiß nicht, was Sie Simon vorwerfen“, wiederholt sie, „aber ich bin sicher, er ist unschuldig. Und ich bin genauso sicher, dass dieser Alte irgendwas weiß, was er Ihnen lieber nicht sagen wird. Es ist nur ein Gefühl. Aber mein Bauch hat immer recht.“
Lächelnd sieht Frederic sie an.
„Doktor Magnussen hat jedenfalls ein Schweineglück, so geliebt zu werden! Wir machen jetzt erst mal das Protokoll mit ihren Aussagen zu Sonntag fertig und dann werde ich mich mit meiner Kollegin beraten.“
Er zieht die Blätter mit Ninas Aussage aus dem Drucker, lässt sie lesen und reicht ihr einen Stift zum Unterzeichnen. „Möchten Sie hier warten? Ich kann Ihnen einen Kaffee bringen. Sie könnten aber auch gehen.“
„Danke, ja, ich nehme gern einen Kaffee. Und gehen tue ich erst, wenn ich mit Simon gehen kann“, sagt sie dankbar mit einem Augenaufschlag, der Frederics weichste Seiten berührt.
Er klopft an Cornelias Tür, betritt den Raum auf ihr „Herein“ hin.
Das Gespräch zwischen der Kollegin und Simon Magnussen scheint sehr vernünftig abzulaufen. Er kennt sie gut genug, um zu wissen, wann die Luft brennt.
„Kann ich dich einen Augenblick sprechen, oder bist du noch nicht fertig?“, fragt er.
Sie steht auf, entschuldigt sich bei Simon, der ihr freundlich zunickt, und tritt zu ihm vor die Tür.
„Du kannst ihn allein lassen? Kein Beamter nötig?“
„Ganz sicher nicht!“
„Lass uns mal ins Besprechungszimmer gehen. Ich glaube, das ist frei“, sagt er.
„Ich weiß ja nicht, was du von der jungen Dame gehört hast, aber ich bin ziemlich sicher, dass unser Freund Westphal versucht hat, uns einen schönen Bären aufzubinden“, beginnt Cornelia.
Frederic nickt. „Die kleine Tewes hättest du mal hören sollen! Junge, Junge! Muss Liebe schön sein. Sie hat ja keine Ahnung, welche Idee uns getrieben hat, aber aus dem schnatternden verängstigten Bündel Menschlein ist vielleicht eine Amazone geworden, als es um ihn ging! Ich sage dir ...!“
Cornelia lacht. „Sag mir nicht, dass du altgedienter Bulle dich hast bezirzen lassen!“
„Bewahre, nein, Cornelia!“, sagt er empört und muss doch grinsen. „Nein, aber so offen und ehrlich emotional
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