Snow Angel
konnte, wie sicher seine Wahl ohne Wenn und Aber zu ihren Gunsten ausgefallen ist.
Nina berichtet ausführlich von den letzten Stunden, und ehe Simon in die Verlegenheit kommt, sich genau äußern zu müssen, hat Hubert den Wagen auch schon in die ruhige Seitenstraße gesteuert, an der ihr Elternhaus steht. Mitten in der Einfahrt parkt ein Audi mit einer Skibox auf dem Dach.
„Mensch, meine Eltern sind ja da! Ich dachte, die kommen erst am nächsten Wochenende zurück!“
Ninas Ausruf birgt eine Melange aus Überraschung, Freude und Ärger.
„Simon, das wird länger dauern“, erklärt sie enttäuscht. „Kannst du mich später abholen?“
„Ungern. Aber: Ja, natürlich!“
Er ist nicht ganz ehrlich, aber so genau scheint sie jetzt nicht auf jede Feinheit zu achten.
„Ruf mich an, wenn du fertig bist. Ich verstehe, dass du ein bisschen Zeit mit deinen Eltern brauchst“, sagt er und küsst ihr nur flüchtig die Wange, bevor sie zur Haustür läuft.
„Ich habe eine Idee, Hubert! Wie wäre es, wenn wir kurz beim Italiener vorbeifahren und uns etwas zu essen holen. Wenn du nichts Wichtigeres zu tun hast, würde ich gerne ausführlicher mit dir reden. Ben ist seit Stunden allein zu Hause und ich habe keine Lust, uns etwas zu kochen“, schlägt Simon vor.
„Ich habe nichts mehr vor. Wir können das gerne so machen“, stimmt Hubert zu und steuert das Restaurant an.
Giuseppe scheint schnell zu erkennen, dass Simon heute nicht zu einem Schwatz aufgelegt ist. Er stellt keine Fragen, als er die Bestellung aufnimmt und ihm nach kurzer Zeit eine Wärmebox über den Tresen reicht.
Sie reden nicht mehr auf der Fahrt. Beide Männer müssen zunächst jeder für sich ihre Gedanken ordnen. Hubert lässt sich für seine brennenden Fragen Zeit bis nach dem Essen.
„Simon, es war kein Zufall, dass du mich gestern nicht erreicht hast. Ich wollte nicht der Steigbügelhalter für übereilte Entscheidungen sein. Und wie ich sehe, ist was dran an dem Spruch: 'Wer zu früh rechnet, rechnet zweimal'.“ Sorgfältig beobachtet er sein Gegenüber. Er ist sich nicht ganz sicher, ob er Zustimmung erwartet oder Widerspruch erhofft.
„Du täuschst dich!“, entgegnet Simon vehement.
„Das kann ich dir nicht ganz abnehmen. Hättest du die Suche nach deiner Nina so eilig betrieben, wenn du gestern schon geahnt hättest, dass es möglicherweise eine Option gibt, Laura lebend zu finden?“
„Definitiv ja. Du traust mir recht wenig zu, wenn du glaubst, dass ich mich bei meinem Entschluss allein auf das verlassen habe, was meine Hose mir sagt.“
„Bestenfalls erkenne ich eine Handlungsweise, deren treibender Impuls ungefähr drei Handbreit über dem Hosenbund angesiedelt ist“, erwidert Hubert und hält sich schmunzelnd die Hand auf's Herz. „Hältst du das für vernünftig?“
„Vernünftig? Nein! Muss die Wahl eines Partners mit Vernunft zu tun haben? Ich habe kürzlich gelernt, dass man nach vernünftigen Überlegungen Waschmaschinen kauft.“ Hervorragend passen ihm nun Ninas Argumente ins Konzept, und es fällt ihm auf, wie sehr er sie verinnerlicht hat, dass er sie nun zu seinen eigenen machen kann. Ihr leidenschaftlich glühendes Gesicht erscheint ihm vor dem geistigen Auge und er lächelt still in sich hinein in der Erinnerung an die Verve, mit der sie ihre Überzeugungen vorzutragen pflegt.
Hubert entgeht offenbar die Wandlung in Simons Gesichtsausdruck nicht und es wird ihm klar, dass er hier mit vernünftigen Entgegnungen nicht durchkommen wird. „Ich sehe schon, bei dir ist Hopfen und Malz momentan verloren.“
„Sag das nicht, der Vollrausch mit genau diesen Zutaten war wirklich hilfreich“, grinst Simon. „Und das war schließlich deine Idee! Aber jetzt mal ganz im Ernst: Natürlich geht mir seit ein paar Stunden der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, Laura könnte tatsächlich noch leben. Nur weil ich eine neue Liebe gefunden habe, geht mir doch ihr Schicksal nicht plötzlich am Arsch vorbei! Was glaubst du, welche Bilder ich im Kopf habe?“
Hubert nickt. „Ich fürchte nur, wir werden nichts, absolut nichts unternehmen können. Wir müssen einfach abwarten. Nimm es mir nicht übel, aber ich habe erwartet, dass du jetzt innerlich sofort wieder umschwenken würdest. Und das hätte mir für das Mädel verdammt leid getan. Zumal ich einfach glaube, die Idee, dass der Kerl sie festhält, ist Quatsch.“
Simon ist aufgestanden. Sein Blick geht in den Garten
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