Snow Crash
rausbringen.«
»Nein«, sagt die Frau. »Ich bin noch nie so glücklich gewesen.«
»Wie kannst du das sagen? Du warst ein toller Hacker. Und jetzt bist du eine Art Blödian, wenn ich das in aller Offenheit sagen darf.«
»Das macht nichts, es verletzt meine Gefühle nicht. Ich war als
Hacker nie richtig glücklich. Ich habe nie über die wichtigen Fragen nachgedacht. Gott. Den Himmel. Die Seele. Es ist schwer, in Amerika über so etwas nachzudenken. Man verdrängt es einfach. Aber es sind die wirklich bedeutenden Fragen-nicht Computer programmieren oder Geld verdienen. Jetzt denke ich nur noch darüber nach.«
Y. T. hat den Hohenpriester und seinen Kumpan im Auge behalten. Sie kommen näher, immer einen Schritt nach dem anderen. Und inzwischen sind sie so nahe, daà Y. T. ihr Essen riechen kann. Die Frau legt eine Hand auf Y. T.s Schulterpolster.
»Ich möchte, daà du hier bei mir bleibst. Möchtest du nicht runterkommen und ein paar Erfrischungen zu dir nehmen. Du muÃt durstig sein.«
»Muà los«, sagt Y. T. und steht auf.
»Dagegen muà ich wirklich Einspruch erheben«, sagt der Hohepriester und tritt vor. Er sagt es nicht wütend. Jetzt versucht er, wie Y. T.s Dad zu sein. »Es ist eigentlich nicht deine Entscheidung.«
»Was bist du, ein Moralapostel?«
»Schon gut, du muÃt nicht einverstanden sein. Laà uns runtergehen, am Lagerfeuer sitzen und darüber reden.«
»Lassen wir Y. T. verdammt noch mal nur in Ruhe, bevor sie in den Verteidigungsmodus umschaltet«, sagt Y. T.
Alle drei Falabalas weichen vor ihr zurück. Sehr kooperativ. Der Hohepriester hält die Hände hoch und beschwichtigt sie. »Tut mir leid, wenn du dich bedroht fühlst«, sagt er.
»Ihr kommt nur ein biÃchen schräg rüber«, sagt Y. T. und schaltet die Brille wieder auf Infrarot.
Im Infrarot kann sie erkennen, daà der dritte Falabala, der mit dem Hohenpriester heraufgekommen ist, etwas Kleines in einer Hand hält, das ungewöhnlich warm ist.
Sie nagelt ihn mit der Taschenlampe fest und strahlt seinen Oberkörper mit dem schmalen gelben Strahl an. Er ist überwiegend schmutzig und braun und reflektiert kaum. Aber er hat etwas Brillantes, Glänzendes, Rotes, einen rubinroten Zylinder.
Es ist eine Spritze. Sie ist mit roter Flüssigkeit gefüllt. Im Infrarotbereich
kann man erkennen, daà sie warm ist. Es handelt sich um frisches Blut.
Sie kapiert es nicht richtig- warum diese Typen mit einer Spritze voll frischem Blut herumlaufen. Aber sie hat genug gesehen.
Die Chemische Keule schieÃt als langer, schmaler, neongrüner Strahl aus der Dose, und als sie den Mann mit der Spritze im Gesicht trifft, wird sein Kopf zurückgeschleudert, als hätte ihn gerade eine Axt zwischen den Augen getroffen, und er kippt lautlos um. Dann gibt sie dem Hohenpriester noch einen Schuà als Zugabe. Die Frau steht einfach nur da wie zur Salzsäule erstarrt.
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Y. T. kickt sich so schnell aus dem Canyon, damit sie sich möglichst rasch in den Verkehr einfädeln kann, wenn sie drauÃen ist. Kaum hat sie sich an einem nächtlichen Salattanker festgepunt, nimmt sie das Telefon und ruft Mom an.
»Mom, hör zu. Nein, Mom, hör gar nicht auf das Dröhnen. Ja, ich fahre mit dem Skateboard im Verkehr. Aber hör mir mal einen Augenblick zu, Mom...«
Sie muà der alten Kuh den Hörer einhängen. Es ist unmöglich, mit ihr zu reden. Dann versucht sie, eine Verbindung mit Hiro zu kriegen. Sie braucht ein paar Minuten, bis sie durchkommt.
»Hallo! Hallo! Hallo!« ruft sie. Dann hört sie eine Autohupe. Aus dem Telefon.
»Hallo?«
»Ich bin es, Y.T.«
»Wie geht es dir?« Der Typ scheint in persönlichen Dingen immer viel zu abgehoben zu sein. Sie will nicht darüber reden, wie es ihr geht. Sie hört wieder ein Hupen im Hintergrund, hinter Hiros Stimme.
»Wo, zum Teufel, steckst du, Hiro?«
»Ich gehe in L. A. eine StraÃe entlang.«
»Wie kannst du eingebrillt sein, wenn du auf der StraÃe gehst?« Dann wird ihr die schreckliche Wahrheit klar. »O mein Gott, du bist doch kein Lametta geworden, oder?«
»Nun«, sagt Hiro. Er zögert verlegen, als wäre ihm noch gar
nicht bewuÃt geworden, was er tut. »Es ist nicht so, als wäre ich ein Lametta. WeiÃt du noch, wie du mich angepflaumt hast, weil ich mein ganzes Geld in
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