Snow Crash
Linguisten es beurteilen können, nicht«, sagt der Bibliothekar. »Wie ich schon erwähnt habe, können wir es gröÃtenteils nicht verstehen. Lagos vermutete, daà Worte damals eine andere Wirkung hatten. Wenn die Muttersprache die physische Struktur des heranwachsenden Gehirns verändern kann, dann muà man davon ausgehen, daà die Sumerer â die eine Sprache sprachen, welche sich von allen heute existierenden radikal unterschied â völlig andersartige Gehirne hatten als wir. Lagos glaubte, daà das Sumerische aus diesem Grund als Sprache ideal für die Erschaffung und Verbreitung von Viren war. Daà ein Virus, wurde er in Sumer freigesetzt, sich rasch und virulent verbreitete, bis er jeden infiziert hatte.«
»Vielleicht wuÃte Enki das auch«, sagt Hiro. »Vielleicht war die Nam-shub von Enki doch nicht so schlecht. Möglicherweise war Babel das Beste, das uns je zugestoÃen ist.«
37
Y. T.s Mom arbeitet in FBI-Land. Sie hat ihren Kleinwagen auf ihrem eigenen numerierten Parkplatz abgestellt, wofür die Feds etwa zehn Prozent ihres Gehalts verlangen (wenn ihr das nicht paÃt, kann sie ein Taxi nehmen oder zu Fuà gehen), und ist mehrere Etagen einer grell ausgeleucheten Spirale aus Stahlbeton hinaufgegangen, in der die meisten Parkplätze â die guten, die näher an der Oberfläche sind â für andere Leute reserviert, aber unbenutzt sind. Sie geht stets in der Mitte der Rampe hinauf, zwischen den Reihen parkender Autos, damit die Jungs vom ETKAO nicht denken, daà sie herumschleicht, bummelt, schnüffelt, sich drückt oder raucht.
Als sie den unterirdischen Eingang ihres Gebäudes erreicht, hat sie alle Metallgegenstände aus ihren Taschen genommen, den wenigen Schmuck abgelegt, den sie trägt, und alles in eine schmutzige Plastikschüssel geworfen; dann geht sie durch den Detektor. Zeigt ihre Marke. Unterschreibt und vermerkt die digital angezeigte Uhrzeit. LäÃt sich von einem ETKAO-Mädchen abtasten. Nervtötend, aber immer noch besser als eine Untersuchung der Körperöffnungen. Sie haben das Recht dazu, Körperöffnungen zu untersuchen, wenn sie wollen. Einmal wurden einen Monat lang täglich ihre Körperöffnungen durchsucht, gleich nachdem sie bei einer Versammlung aufgestanden war und angedeutet hatte, ihre Vorgesetzte könnte bei einem wichtigen Programmierprojekt auf der falschen Fährte sein. Es war eine rachsüchtige Schikane, das weià sie, aber sie wollte immer etwas für ihr Land tun, und wenn man für die Feds arbeitet, akzeptiert man eben die Tatsache, daà herumpolitisiert wird. Und daà man als kleine Angestellte sein Los erdulden muÃ. Und später steigt man dann die GS-Leiter hinauf und muà sich nicht mehr soviel ScheiÃe gefallen lassen. Nichts liegt ihr ferner, als mit ihrer Vorgesetzten zu streiten. Marietta, ihre Vorgesetzte, hat auch nicht gerade eine atemberaubende GS-Position, aber sie hat Zugang. Sie hat Beziehungen. Marietta kennt Leute, die Leute kennen. Marietta hat Cocktailparties besucht, die auch
von Leuten besucht wurden, die, nun, die Augen würden Ihnen übergehen.
Das Abtasten hat sie mit wehenden Fahnen passiert. Das Metallzeug wieder in die Taschen gesteckt. Ist ein halbes Dutzend Treppen zu ihrem Stockwerk hinaufgegangen. Die Fahrstühle hier funktionieren noch, aber einige sehr hohe Tiere in FBI-Land haben durchblicken lassen â nichts Offizielles, aber sie haben Mittel und Wege, so etwas bekanntwerden zu lassen -, daà es eine Pflicht ist, Energie zu sparen. Und was Pflicht angeht, ist es den Feds echt ernst. Pflicht, Loyalität, Verantwortung. Das Collagen, das uns in die Vereinigten Staaten von Amerika einbindet. Und daher sind die Treppen vollgestopft mit ächzendem Leder und verschwitzter Wolle. Wenn man den Fahrstuhl benutzen würde, würde niemand etwas sagen, aber es würde bemerkt werden. Bemerkt und aufgeschrieben und angekreidet. Die Leute würden einen ansehen, von oben bis unten mustern, etwa: Was ist passiert, den Knöchel verstaucht? Es ist kein Problem, die Treppe zu nehmen.
Feds rauchen nicht. Feds essen im allgemeinen nicht zuviel. Die Gesundheitsvorschriften sind sehr spezifisch, enthalten ernste MaÃstäbe; wird man zu dick und kurzatmig, sagt keiner was â das wäre unhöflich -, aber man spürt einen definitiven Druck, ein Gefühl, als gehörte man nicht dazu,
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