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Snow Crash

Titel: Snow Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenson Neal
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sie hätte seit ihren ersten gemeinsamen Jahren am College eine radikale Veränderung durchgemacht.
    Aber dann besuchte er seinen Vater in einer dieser Armeestädte und lief der Ballkönigin der High School über den Weg. Diese war erschreckend schnell zu einer übergewichtigen Frau mit geschmackloser Frisur und geschmackloser Kleidung herangewachsen, die im Supermarkt in der Schlange vor der Kasse die Regenbogenpresse überflog, weil sie nicht genügend Haushaltsgeld hatte, sich die Zeitungen zu kaufen, Kaugummiblasen platzen ließ und zwei Kinder hatte, aber weder Energie noch Verstand genug, sie auch vernünftig zu erziehen.
    Als er diese Frau im Einkaufszentrum sah, kam ihm endlich eine verspätete, dumpfe Erleuchtung, kein brillantes Licht, das vom Himmel herabschien, eher das trübe braune Flackern einer halbtoten Taschenlampe, die vom oberen Ende einer Treppe herableuchtet: Juanita hatte sich seit damals so gut wie gar nicht verändert, sie war nur an sich selbst gewachsen. Er selbst hatte sich verändert. Radikal.
    Er hatte einmal ihr Büro betreten, eine rein geschäftliche Angelegenheit. Bis zu diesem Punkt hatten sie einander häufig im Büro gesehen, aber stets so getan, als wären sie einander vorher noch nie begegnet. Aber als er an jenem Tag ihr Büro betrat, da bat sie ihn, die Tür hinter sich zu schließen, sie hatte den Monitor ihres Computers gelöscht, einen Bleistift zwischen den Fingern gedreht und ihn angesehen wie ein Tablett Tage altes Sushi. Hinter ihr an der Wand hing ein amateurhaftes Gemälde, das eine alte Dame zeigte, in einem verzierten antiken Rahmen. Es bildete
den einzigen Schmuck in Juanitas Büro. Alle anderen Hacker hatten Fotos vom Start des Space Shuttle oder Poster der Besatzung des Raumschiffs Enterprise an den Wänden.
    Â»Das ist meine verstorbene Großmutter, möge Gott ihrer Seele gnädig sein«, sagte sie, als sie bemerkte, wie er das Gemälde betrachtete. »Mein Vorbild.«
    Â»Warum? War sie Programmiererin?«
    Sie sah ihn über den kreisenden Bleistift hinweg an, als wollte sie sagen, wie dumm kann ein Säugetier sein und dabei noch die Fähigkeit zu atmen haben? Aber statt den Hammer auf ihn runtersausen zu lassen, gab sie ihm eine einfache Antwort: »Nein.« Dann gab sie eine komplizierte Antwort: »Als ich fünfzehn war, blieb meine Periode aus. Mein Freund und ich benutzten ein Diaphragma, aber ich wußte, daß das kein hundertprozentiger Schutz war. Ich war gut in Mathe und hatte mir die Fehlerquote eingeprägt, ins Unterbewußtsein eingebrannt. Möglicherweise auch ins Bewußtsein, die kann ich nie auseinanderhalten. Jedenfalls litt ich Höllenqualen. Unser Hund behandelte mich anders – angeblich können sie eine schwangere Frau riechen. Oder besser gesagt, eine schwangere Hündin.«
    An dem Punkt war Hiros Gesicht schon zu dem argwöhnischen, verblüfften Ausdruck erstarrt, den Juanita später so häufig für ihre Arbeit verwendete. Denn während sie sich mit ihm unterhielt, beobachtete sie sein Gesicht und analysierte, wie die kleinen Muskeln in seiner Stirn die Brauen in die Höhe zogen und die Augenform veränderten.
    Â»Meine Mutter war ahnungslos. Mein Freund war mehr als ahnungslos – tatsächlich habe ich ihm auf der Stelle den Laufpaß gegeben, weil mir klar wurde, was für ein fremdartiges Wesen er war – wie viele Angehörige deiner Art.« Damit meinte sie Männer.
    Â 
    Â 
    Â»Wie dem auch sei, meine Großmutter kam zu Besuch«, fuhr sie fort und betrachtete über die Schulter das Gemälde. »Ich ging ihr aus dem Weg, bis wir uns alle zum Essen versammelten. Und dann hat sie die ganze Situation in etwa zehn Minuten durchschaut, weil sie einfach mein Gesicht über den Eßtisch hinweg
beobachtete. Ich sagte nicht mehr als zehn Worte: >Könnte ich bitte die Tortillas haben.< Ich weiß nicht, wie mein Gesicht die Information verriet oder mit welcher internen Verkabelung der Verstand meiner Großmutter dieses unglaubliche Kunststück fertigbrachte. Fakten aus dem Dampf von Nuancen zu kondensieren.«
    Fakten aus dem Dampf von Nuancen zu kondensieren. Hiro hat nie ihre Stimme vergessen, als sie diese Worte ausgesprochen hat, das Gefühl, das ihn überkam, als ihm zum erstenmal bewußt wurde, wie klug Juanita war.
    Sie fuhr fort. »Ich wußte mit alledem erst etwa zehn Jahre

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