So berauschend wie die Liebe
Einundzwanzig?“
„Vierundzwanzig“, entgegnete sie ungehalten, obwohl sie es eigentlich gewöhnt war, dass man sie bei einer Größe von nicht einmal einem Meter sechzig und ihrem auch sonst sehr jugendlichen Äußeren unweigerlich für jünger hielt.
„Das ist immer noch jung. Machen Sie es wie Ihr Bruder, und genießen Sie das Leben. Erlauben Sie, dass ich Sie hinausgeleite.“
Hinauswerfe … kommt der Sache näher, dachte Lucy. Von Panik erfüllt, sprang sie auf und ergriff seinen Arm. „Ist das wirklich alles? Können wir nicht darüber sprechen? Geben Sie mir doch wenigstens etwas mehr Zeit, um das Geld aufzubringen! Ich würde alles tun, um die Fabrik zu retten.“
Sie waren wirklich von einem erstaunlichen klaren Grün, diese ausdruckvollen Augen, die ihn jetzt so flehentlich ansahen. Für einen Moment verlor Lorenzo den Faden.
Er hätte gern auf Lucy Steadman und ihre Hartnäckigkeit verzichtet. Natürlich hatte er schon von ihrem ursprünglichen Anruf bei seiner Bank erfahren und wusste auch, welche Standardantwort ihr die Mitarbeiter zurückgeschickt hatten. Als er dann ihren persönlichen Brief erhalten hatte, wies er seine Sekretärin aus zwei Gründen an, ihr einen Termin zu geben: erstens aus Respekt gegenüber seiner Mutter, denn sie hatte Antonio damals ohne Wissen der Bank das Geld gegeben, um sich bei Steadman’s als Partner einzukaufen, und schien an dieser Investition immer noch gefühlsmäßig zu hängen.
Lorenzo hatte davon erst nach Antonios Tod erfahren, als er den Nachlass seines jüngeren Bruders ordnete. Er hatte seiner Mutter vorgeschlagen, die Anteile an Steadman’s wieder zu verkaufen, und eine verblüffende Antwort erhalten. Die alte Dame erklärte ihm, ihre eigene Mutter hätte ihr bei ihrer Heirat geraten, stets ein separates Konto zu führen, von dem der Ehemann nichts wisse, weil es der Ehefrau ein Gefühl von Unabhängigkeit gewähre. Deshalb hatte sie ihr privates Konto natürlich nicht bei der Zanelli Bank, sondern bei der Banca di Roma , und sie zögerte, Antonios Anteile zu verkaufen, weil es sie tröstete, zu wissen, dass ihr jüngerer Sohn nicht so leichtlebig gewesen war, wie man allgemein gedacht hatte, sondern Zukunftspläne für eine ernsthafte Karriere als erfolgreicher Geschäftsmann geschmiedet hatte.
In diesem Punkt war Lorenzo anderer Meinung. Antonio und Damien hatten sich nach ihrem Universitätsabschluss ein Jahr Auszeit gegönnt, um die Welt zu bereisen. Daraus war dann ein zweites Jahr geworden bis zu ihrer letzten Eskapade, der Besteigung des Mont Blancs, bei der Antonio mit gerade dreiundzwanzig sein Leben ließ. Lorenzo bezweifelte stark, dass einer der beiden je vorhatte, sesshaft zu werden und eine Kunststofffabrik zu leiten. Aber er hatte seiner Mutter nicht widersprochen, und sie hatte in seinen Vorschlag eingewilligt, ihm die Investition zu verkaufen, sodass sie nun unter der Kontrolle der Zanelli Bank war.
Der zweite Grund, warum er sich bereit erklärt hatte, Lucy Steadman zu treffen, lag in der Erinnerung an seinen Bruder. Denn, wenn er ehrlich war, hatte er ein schlechtes Gewissen. Er war so mit seiner Arbeit und seinen beruflichen Angelegenheiten beschäftigt gewesen, dass er Antonio nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Natürlich hatte er seinen kleinen Bruder geliebt, aber Antonio war erst acht gewesen, als Lorenzo zu Hause auszog, um sein Studium aufzunehmen, und nach dem Abschluss war er direkt nach Amerika gegangen und eigentlich nur noch zu gelegentlichen Ferien nach Verona gekommen. Als er dann schließlich nach dem Tod des Vaters zurückgekehrt war, um die Leitung der Bank zu übernehmen, war Antonio schon ein unbekümmerter Teenager gewesen, der seinen eigenen Freundeskreis hatte. Mit achtzehn war er zum Studium nach London gegangen. Lorenzo erinnerte sich aber, dass sein Bruder Lucy das ein oder andere Mal erwähnt hatte und sie für ein sehr liebenswertes Mädchen hielt. Deshalb, obwohl er Damien verachtete, war Lorenzo einverstanden gewesen, Lucy einen Termin einzuräumen. Aber nach dem, was er heute Mittag beim Essen erfahren hatte, war auch der letzte Rest an Mitgefühl für irgendein Mitglied der Familie Steadman erloschen.
All der Frust und Zorn, den er seit dem Gespräch mit Cervantes mit sich herumschleppte, explodierte in dem Moment, als diese kleine Frau ihn so flehentlich am Arm packte. Ohne zu überlegen, riss er sie an sich, nahm von ihren zarten Lippen Besitz und küsste sie wütend.
Lucy war
Weitere Kostenlose Bücher