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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliette Gréco
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muss man verstehen, sie einzusetzen.
    Körper und Liebe, das muss nicht unbedingt miteinander einhergehen. Liebe zu machen und jemanden zu lieben, das kann etwas sehr Verschiedenes sein.
    Liebe, das ist nicht nur Sex.
    Das lernt man als kleines Kind. Mit sieben Jahren hatte ich mich in meinen Zeichenlehrer verliebt. Wenn er es von mir verlangt hätte, ich hätte mich liebend gern an einem Baum für ihn aufgehängt.
    Man lacht gerne über diese Kinderlieben. »Mein Gott, wie war ich in meinen Lehrer verknallt«, sagt man belustigt. Aber diese kindlichen Leidenschaften rühren und gründen oft viel tiefer, als man denkt.
    Danach schmuste ich mit einem gleichaltrigen Mädchen herum. Alle, oder fast alle, kennen das.
    Ich liebte sie nicht, nein, sie ging mir ungemein auf die Nerven. Aber zweifellos wollte ich sie verführen und besitzen. Sie war hinreißend mit ihren großen blauen Augen, sie sah wie ein Porzellanpüppchen aus.
    Meine erste sexuelle Erfahrung hatte ich weder mit einem konkreten Mann noch einer konkreten Frau. Bei meiner Ankunft im Gefängnis von Fresnes gab es eine anonyme Leibesvisitation. Zuvor hatte mich eine scheußliche Polizistin festgenommen. Die Männer hob ich mir für später auf …
    Der Preis der Freiheit
    Ich hatte wie viele andere meiner Generation eine verpfuschte Jugend. Krieg und Okkupation waren daran schuld.
    Deshalb kämpfte die Gréco für ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Noch heute wird sie deshalb von Frauen auf der Straße umarmt. »Ohne Sie hätte ich das nie geschafft.«
    Ich war ein Vorbild für die, die sich lieber scheiden ließen oder abtrieben, als sich aufzugeben und zu unterwerfen.
    Als das »Manifest der 343« in der Presse erschien, war ich nicht in Frankreich. In ihm bekannten sich im Jahr 1971 dreihundertdreiundvierzig Frauen, abgetrieben zu haben, und verlangten gleichzeitig die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Wie gerne hätte ich mich in ihre Liste eingetragen.
    Simone Veil, dieser so außergewöhnlichen Frau, gelang es, allein in einer Arena mit Männern, von denen viele ihr nicht gerne zuhörten, dieses so notwendige Gesetz durchzubringen. Ich bedanke mich bei diesem wunderbaren Menschen. Ich bedanke mich bei ihr als Frau.
    Zuvor ging es mir wie vielen anderen, ich musste leiden. Da ich zu jung war, um ein Kind aufzuziehen, wollte ich abtreiben. Dabei geriet ich an einen schrecklichen Engelmacher.
    Er operierte mich auf einem Esszimmertisch; mit einem Metallband hatte er mich festgebunden, damit ich mich nicht bewegte. Einen Wattebausch, mit Äther getränkt, hatte er mir in den Mund geschoben, meine Beine musste ich spreizen.
    Ein paar Tage danach wachte ich spätnachts auf. Ich lag in einer Blutlache und war unfähig, mich zu bewegen. Der Engelmacher war nervös und beunruhigt. Schließlich gelang es mir aufzustehen und zu gehen. Zur selben Zeit betrat mein Freund, der nichts von mir gehört hatte und sich sorgte, das Haus. Er brachte mich mit einem Taxi zu meinem Hotel. Aber ich wollte nicht allein sein und eingesperrt. Ich ging wieder los. Mit Mühe und Not schaffte ich es in den Hof eines Krankenhauses in der Nähe. Ich setzte mich auf die Stufen einer Treppe. Was tun? Niemand blieb stehen, niemand kümmerte sich um mich, niemand schenkte mir einen Blick.
    Ich schleppte mich wieder ins Hotel. Mein Freund war inzwischen zurückgekehrt. Mit einer Dose Gebäck in der Hand stand er da, um mich zu trösten. Stattdessen musste er mich sofort in eine Klinik bringen. Die Einführung des Penicillins in Frankreich rettete mir dann das Leben. Dem Chirurgen gelang es, die starke Blutung zu stoppen. Er verlangte weder Geld noch, dass ich Reue zeigte. Was in meinen Augen auch unverschämt gewesen wäre. Er war ein guter Mensch.
    Wir mussten lernen, allein zu handeln. Im Verborgenen. Auf die Gefahr hin, das Leben zu verlieren. Ich hatte meiner Mutter einen Blasenkatheter gestohlen, »Schlange« habe ich ihn getauft. Alle Mädchen in der Familie hatten sich seiner bedient. Er verursachte Abgänge auf scheinbar natürliche Weise.
    Diese Methode war äußerst gefährlich, lebensgefährlich. Die Aktion selbst war widerlich und tat entsetzlich weh, der moralische Druck war kaum auszuhalten.
    Das war der Preis der Freiheit.
    Zehn Jahre später musste ich mich einer zweiten Abtreibung unterziehen, um mein eigenes Leben nicht zu gefährden. Ein zweites Kind zu bekommen, wollte ich damals nicht riskieren.
    Hätte sich meine Tochter Laurence-Marie später eine Schwester

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