So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren
verheiratet – was mich nicht störte.
Ich war jung, hatte das Leben vor mir und liebte ihn. Niemals erzählte ich ihm von der Frucht unserer großen Liebe, die ich zwei Monate lang in meinem Leib trug.
Während eines Konzerts in Genf – nur noch wenige Lieder waren zu singen – durchfuhr mich plötzlich ein schrecklicher Schmerz. In einem fürchterlichen Zustand brachte ich das Konzert zu Ende.
Niemandem fiel etwas auf, auch wenn ich meine Tränen nicht zurückhalten konnte. Beim Verlassen der Bühne brach ich zusammen, man brachte mich mit dem Krankenwagen in eine Klinik. Ich verlor viel Blut, die Ärzte waren sehr besorgt.
J.-P. W. war Rennfahrer, ein reicher und berühmter Champion. Wenn er zu einem Rennen fuhr, hatte ich Angst um ihn. Ich blieb in meinem Zimmerchen und hing während der Rennübertragung mit beiden Ohren am Radioapparat, in der Hoffnung, dass das Martyrium bald ein Ende hatte.
Bei einem Rennen im Ausland wartete ich ungeduldig auf den erlösenden Telefonanruf. »Mademoiselle Gréco!«, rief endlich der Besitzer des Hotels. Ich raste die Treppenstufen hinunter. Unten angekommen, presste ich den Hörer an mein Ohr. Tränen der Erleichterung rannen über mein Gesicht.
Ein paar Tage später raste er dieselben Treppenstufen hinauf, öffnete die Zimmertür, hob mich hoch und nahm mich in seine Arme. Wir gingen tanzen und hinterher ins Tabou, wo wir uns kennengelernt hatten.
Eines Tages lud er mich nach Italien ein. Er hatte einen Termin beim Konstrukteur von Alfa Romeo, sein neuer Rennwagen war fertig. Ich nahm nur wenig zum Anziehen in einer Reisetasche mit. Zum ersten Mal wohnte ich in einem Luxushotel. Noch heute ist dieses Hotel für mich das beste und schönste Hotel, das ich je betreten habe.
Wir frühstückten ausgiebig auf der Terrasse, dann steckte er mir ganz dezent ein paar Lirescheine zu. Während seiner Abwesenheit sollte ich mir Schuhe kaufen gehen. Wie aufmerksam von ihm. Ich kam mit einem sehr schönen Paar Riemensandalen zurück, hergestellt auf Capri. Er traute seinen Augen nicht. Unter einem Schuheinkauf hatte er sich etwas anderes vorgestellt. Wieso hatte ich mir nicht mehr Schuhe gekauft? Wieso nur diese billige Sandalen? Und warum nicht noch ein paar Kleider?
Auf diese Idee war ich gar nicht gekommen. Er war da, ganz nah bei mir. Das war alles, was ich wollte. Mehr brauchte ich nicht.
Mit seinem wunderschönen Alfa Romeo fuhren wir zurück nach Frankreich, im feudalen Hôtel du Cap in Antibes an der Côte d’Azur legten wir einen Zwischenstopp ein. Hier verbrachten wir ein paar traumhafte Tage. Am Tag unserer Abreise nahm ich nach dem Aufwachen ein letztes Sonnenbad am Hotelstrand. Durch die Felsen vom Wind geschützt, genoss ich es, im Sand zu liegen und mein Gesicht von den warmen Sonnenstrahlen verwöhnen zu lassen. Ich war glücklich und hörte J.-P. W. nicht kommen.
Schon tippte er mit dem Finger auf meine Nasenspitze. »Wie lang sie ist, diese schöne Nase!«, hörte ich ihn sagen.
Die Würfel waren gefallen. Von nun an würde ich meine Nase hassen, gemocht hatte ich sie ohnehin nie.
Ich habe mich nie schön gefunden, es ging mein ganzes Leben nur darum, mich mit meinem Äußeren abzufinden. Damit mir das besser gelang, musste die gemeine Nase jetzt dran glauben.
Dreimal insgesamt wurde sie operiert. Beim ersten Mal war ein Pfuscher am Werk; beim zweiten Mal wurden dessen Fehler wieder glatt gebügelt; beim dritten Mal nahm sich der plastische Chirurg Sir Archibald Mac Indoe aus Großbritannien meiner an, der die Schwerverletzten und durch Brandwunden Entstellten des Zweiten Weltkriegs operiert hatte.
J.-P. W. würde davon nichts mehr mitbekommen. Unsere Idylle wird jäh zerstört werden, nur ein paar Wochen nach unserer Reise.
Er fand in Buenos Aires während eines Trainingslaufs am Steuer eines Gordini den Tod. Er wich zwei Kindern aus, die die Rennstrecke überqueren wollten.
Tief verborgen in mir lebt der Schmerz über seinen Tod weiter. Für immer.
Zurück ins Leben
Nach dem Tod von J.-P. W. kümmere ich mich verstärkt um meine Gesangskarriere.
Ich arbeite, gehe kaum aus. Wie ein Tier, das Winterschlaf hält, lasse ich die Tage, Wochen und Monate verstreichen, um wieder zu Kräften zu kommen.
Im folgenden Sommer singe ich in Antibes, meine Freunde treffe ich wie immer seit Kriegsende in Saint-Tropez, in dem kleinen Hôtel La Ponche, das von zwei wunderbaren Menschen geleitet wird. Die Gäste sind ihre Schutzbefohlenen, ihre Kinder, und die
Weitere Kostenlose Bücher