So bitterkalt
umdrehte, erblickte er Jörgen, der auf der Fahrerseite schnell aus dem Auto stieg. Auf dem Beifahrersitz saà die junge Assistentin und schien zu zögern.
Der Scheue hätte die Brücke gesprengt, aber Jan hatte kein Dynamit. Jörgen war schon halb über den Fluss, und er machte doppelt so lange Schritte wie Jan.
Es war vorbei, sie würden es nicht schaffen. Jan hatte es die ganze Zeit über gewusst.
»Rami!«
Aber sie blieb nicht stehen, wurde jedoch etwas langsamer und sah sich nach ihm um. Eine schmale Gestalt im Morgenlicht, die groÃe Liebe seines Lebens.
Jans Lungen schmerzten. Er hatte kaum mehr Kraft, holte sie aber doch mit zehn oder zwölf schnellen Schritten ein.
»Hier!«, keuchte er und überlieà ihr den Gitarrenkasten. Dann zog er auch noch den Fünfziger aus der Hosentasche: »Und nimm das ... jetzt lauf!«
Es ging um Sekunden, aber Rami beugte sich dennoch zu Jan vor, drückte ihre Wange an die seine und flüsterte: »Vergiss den Pakt nicht.«
Dann flog sie mit neuer Energie über das Gras dahin und verschwand im Wald. Der Gitarrenkasten schien in ihrer Hand plötzlich ohne Gewicht zu sein.
Jan stolperte ein paar Schritte hinter ihr her, doch sein Wille war dahin, und nur wenige Sekunden später packten zwei Hände seine Schultern.
»Komm, gib auf.«
Es war Jörgen. Auch er war nach dem Sprint erschöpft, das war an seinen Atemzügen zu hören. Doch sein Griff war fest, und Jan folgte ihm. Zurück in die Klapse.
»Bringt ihr mich jetzt ins Loch runter?«
»Ins Loch?«
»Na, diese Zelle unten im Keller, wo ihr die Leute einschlieÃt.«
»Nein, da musst du nicht hin«, sagte Jörgen. »Dahin kommen nur diejenigen, die kratzen und beiÃen. Und du prügelst dich doch nicht, oder, Jan?«
Jan schüttelte den Kopf.
»Hast du vorhin an die Tür geklopft?«, fragte Jörgen.
Jan nickte.
»Warum?«
»Weià nicht.«
Jörgen sah ihn an. »Warum, Jan? Wolltest du geschnappt werden?«
Er antwortete nicht.
Sie gingen über die Brücke zurück zum Auto, aber Jan spähte die ganze Zeit über seine Schulter. Jörgens Kollegin war im Wald verschwunden.
Jörgen setzte ihn auf den Rücksitz des Volkswagens, dann ging er über die Brücke zurück und rief nach ihr.
Im Auto war es still, Jan hörte nur seinen eigenen Atem.
Wolltest du geschnappt werden?, dachte er. Wolltest du, dass Rami geschnappt wird?
Nach einer Minute sah er die Assistentin wieder aus dem Wald kommen, und sie schüttelte den Kopf. Die beiden standen an der Brücke und besprachen sich, dann sah Jan, wie Jörgen sein Handy herausholte und jemanden anrief. SchlieÃlich kamen sie zum Auto zurück.
»Jetzt fahren wir«, sagte Jörgen.
Und das taten sie. Sie fuhren zurück zur Klapse. Zurück zu der Sicherheit innerhalb des Zaunes.
Jan war gefangen und froh darüber.
Er wusste, dass Rami ebenso froh war, frei zu sein.
51
Jetzt wartet er im fahlen Schein der alten Glühbirne, fünfzehn Jahre nach dem Fluchtversuch aus der Klapse.
Jan ist allein, aber nicht mehr lange. Er steht unten im Krankenhauskeller und wartet auf Rami. Bis in die Wäscherei hinein hat er sich vorgewagt, jetzt steht er in der Abstellkammer mit dem alten Wäscheaufzug.
Es ist zwanzig vor zehn am Freitagabend, und eigentlich sollte Jan oben in der Vorschule sein. Lilian rechnet damit, aber er hat seinen Wachposten verlassen und ist durch den Schutzraum in den Keller gegangen. Inzwischen kennt er sich hier unten gut aus, und genau wie Legén es vorhergesagt hatte, war die Wäscherei hinter den Krankensälen vollkommen leer. Das einzig Ungewöhnliche dort waren kleine gelbe Lämpchen, die an der Wand blinkten, vielleicht als eine Art Signal für die bevorstehende Brandschutzübung.
Jan horcht auf schlurfende Schritte oder singende Stimmen im Keller hinter sich, doch alles bleibt still in der Unterwelt.
Nur er selbst ist hier â und bald auch Rami. Das hofft er zumindest, und wenn er die Augen schlieÃt, hört er sie singen: Ich und Jan und Jan und ich, jede Nacht, jeden Tag ...
Er blinzelt und läuft vor dem Aufzug auf und ab, um sich wach zu halten.
Als er eine halbe Stunde zuvor Lilian und drei Männer in seinem Auto zur Lichtung fuhr, dröhnten die Trommeln dumpf in seinem Kopf.
Einer der Männer war Lilians schweigsamer groÃer
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