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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Frühling, Ende April, und in ein paar Wochen würden die Ferien beginnen. Jan arbeitete sich von Tag zu Tag. Abends trommelte er leise vor sich, mit den Trommelschlägeln auf einem Telefonbuch, oder er zeichnete weiter an der Comicserie über Den Scheuen.
    Von Rami kam kein Lebenszeichen, kein Anruf, keine Ansichtskarte aus Stockholm.
    Die letzte Maiwoche war traditionell die Woche für Unternehmungen, und die neunten Klassen begaben sich auf Reisen und Wanderungen.
    Am Donnerstagmorgen in dieser Woche sah Jan, als er in die Schule kam, Schüler in Trauben auf den Fluren stehen. Es wurde von etwas Schrecklichem geflüstert, von einer Wahnsinnstat .
    Â»Ist das wahr?«, tuschelten die Schüler. »Ist das wirklich wahr? «
    Niemand sprach direkt mit Jan, aber er begriff trotzdem, dass im Wald vor der Stadt etwas geschehen war. Jemand war gestorben. War getötet worden .
    Dann erzählte ihnen ein Lehrer von den Morden an zwei Neuntklässlern, und danach brodelte die Gerüchteküche noch mehr, und bald erschienen auch Zeitungsartikel über die Wahnsinnstat . Und es brodelte weiter, bis zu den Sommerferien.
    Jan nahm all das, was geschehen war, mit einer Art dunklem Erstaunen auf. Erstaunen darüber, dass Die Viererbande fast ausgelöscht war und dass nur noch Torgny Fridman übrig war.
    Das war der Pakt . Rami hatte es irgendwie geschafft, ihren Teil zu erfüllen.
    Doch Jan selbst hörte nie wieder etwas von ihr, und es sollte fünf Jahre dauern, bis er den Namen RAMI im Fenster des einzigen Plattenladens von Nordbro entdeckte. Ihr Debütalbum war gerade herausgekommen, und als er in das Geschäft ging, um die Platte zu kaufen, sah er, dass einer der Songs Jan und ich hieß.
    Das war ein Zeichen von ihr, anders konnte es gar nicht sein.
    Er hatte damals gerade in der Tagesstätte »Luchs« angefangen, und als er im Herbst die Psychologin Emma Halevi und ihren Sohn William zur Tagesstätte kommen sah, musste er sofort an die Klapse und die Psychotante denken.
    Und dann an den Pakt.
    Die Erinnerungen an seine Jugendzeit bringen Jan da unten im Krankenhauskeller zu einer Einsicht: Den ganzen Herbst über hat er kein einziges Mal darüber nachgedacht, warum Rami eigentlich in Sankt Psycho sitzt.
    Was hat sie getan, dass sie hier in einer geschlossenen Abteilung gelandet ist?
    Er weiß es nicht, und er möchte jetzt auch nicht darüber nachdenken. Er kann nur hier im Keller auf sie ­warten.
    Plötzlich durchbricht ein Geräusch die Stille – ein Heulen. Das sind Sirenen, die sich dem Krankenhaus nähern. Sie kommen von der Landstraße her und werden trotz der dicken Kellerwände immer lauter.
    Feuerwehrwagen?
    Er schaut auf die Uhr. Viertel vor zehn. Die Brandschutzübung scheint zu früh begonnen zu haben.
    Plötzlich fängt sein Handy in der Tasche zu klingeln an. Jan fährt zusammen und holt es schnell heraus.
    Â»Hallo?«, fragt er leise und rechnet damit, dass Lilian anruft. Was soll er ihr sagen?
    Doch es ist eine andere Frauenstimme, und die klingt sehr besorgt: »Hallo, Jan, hier ist Marie-Louise.«
    Â»Hallo, Marie-Louise«, begrüßt er seine Chefin und umklammert das Handy fester. »Alles in Ordnung?«
    Â»Nein, eigentlich nicht, es ist etwas passiert. Ich rufe heute Abend alle nacheinander an, erreiche aber keinen. Sag mal, hast du vielleicht Leo gesehen? Leo Lundberg aus der Vorschule?«
    Â»Nein, warum?«
    Â»Leo ist von seiner neuen Familie weggelaufen«, erklärt Marie-Louise. »Er hat heute Abend, bevor es dunkel wurde, draußen im Hof seiner Pflegefamilie gespielt, aber als die Pflegeeltern ihn ins Haus holen wollten, war er einfach weg.«
    Jan hört zu, weiß aber nicht so recht, was er sagen soll. Im Moment fällt es ihm schwer, an die Vorschulkinder zu denken, aber er muss trotzdem irgendetwas antworten.
    Â»Leo ist mir der Liebste«, erklärt er.
    Marie-Louise schweigt, als ob sie ihn nicht verstanden hätte.
    Â»Jetzt ist es wichtig, ihn zu finden«, erwidert sie schließlich. »Wo bist du, Jan? Bist du zu Hause?«
    Jan fühlt sich ertappt, da unten im Keller, und spricht noch leiser: »Ja, ja, das bin ich.«
    Â»Okay, jetzt weißt du ja, was passiert ist. Die Polizei sucht nach Leo. Melde dich bei der Polizeistation oder bei mir, wenn du ... wenn du etwas siehst.«
    Â»Selbstverständlich. Das mache ich.«
    Jan legt auf und

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