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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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doch Lilian kommt ihm zuvor:
    Â»Gefällt es dir hier, Jan?«
    Es klingt, als würde sie das wirklich interessieren.
    Â»Meinst du in Valla?« Jan muss erst überlegen, was er sagen kann. »Nun, ich bin ja gerade erst hergezogen. Aber es scheint in Ordnung zu sein. Schöne Umgebung.«
    Â»Was machst du denn abends so?«
    Â»Nicht viel. Ich höre ein bisschen Musik.«
    Â»Du hast wahrscheinlich keine Freunde hier, oder?«
    Â»Nein, noch nicht.«
    Â»Dann komm doch mal zu Bills Bar«, schlägt Lilian vor, »unten am Hafen, die haben eine gute Hausband.«
    Â»Bills Bar?«
    Â»Ich bin eigentlich immer dort«, erklärt Lilian. »Da sind auch oft Leute vom Patricia. In der Bar kannst du jede Menge neuer Leute kennenlernen.«
    Soll Jan jetzt auf einmal in Kneipen gehen und einen auf sozial machen? Das hat er noch nie getan, aber warum eigentlich nicht?
    Â»Vielleicht«, sagt er.
    Dann spielen sie weiter mit den schiffbrüchigen Kindern, bis Jan in der Küche die Eieruhr schrillen hört.
    Er holt die Magnetkarte, öffnet die Kellertür und geht allein zurück in den Gang.
    Da unten rührt sich nichts. Die Bilder hängen immer noch in geraden Reihen an den Wänden.
    Es ist fünf vor zwölf, und das Fenster in der Fahrstuhltür ist immer noch dunkel – der Fahrstuhl ist noch nicht mit Leo heruntergeschickt worden.
    Er bleibt davor stehen.
    Fahr rauf , denkt er, fahr rauf und sieh dich mal in Sankt Psycho um.
    Doch er bleibt mit der Magnetkarte in der Hand stehen und wartet noch eine Minute beim Fahrstuhl, ehe er zum Ende des Kellerganges und zu der scharfen Abzweigung nach rechts sieht.
    Etwas neugierig ist er schon, was sich wohl hinter der Ecke verbirgt.
    Ein weiterer Weg ins Krankenhaus hinein?
    Der Fahrstuhl mit Leo ist immer noch nicht gekommen, deshalb geht Jan von der Tür weg, langsam weiter den Gang hinunter. Er will nur kurz sehen, wohin der Kellergang führt.
    Hinter der Ecke endet der Gang nach ein paar Metern an einer massiven Stahltür. Die Tür ist mit einem langen Eisengriff fest verschlossen. Auf einem weißen Schild neben der Tür liest Jan das Wort SCHUTZRAUM. Und darunter den Text Diese Tür geschlossen halten!
    Schutzraum – das kennt Jan. Das ist so etwas wie ein Bunker unter der Erde.
    In seinem Kopf taucht ein Bild von dem kleinen William auf, doch er wischt es sofort weg und streckt die Hand zu der eisernen Klinke aus.
    Sie bewegt sich. Man kann die Tür öffnen.
    Doch in dem Moment klickt es im Kellergang hinter ihm. Das ist die Fahrstuhltür. Jan lässt die Klinke schnell los und läuft zurück.
    Leo ist wieder hinuntergeschickt worden. Er versucht, die schwere Tür aufzudrücken, doch er schafft es nicht allein.
    Jan hilft ihm. »Na, war’s gut, Leo?«
    Leo nickt stumm, und Jan nimmt ihn an der Hand, und sie gehen zurück zur »Lichtung«.
    Â»Ich glaube, gleich ist Singstunde. Magst du das, Leo?«
    Â»Hm.«
    Vielleicht bildet Jan sich das nur ein, aber Leo wirkt nach dem Krankenhausbesuch etwas bedrückt. Ansonsten sieht er genauso aus wie vor dem Besuch bei seinem Vater. Keine Schürfwunden im Gesicht und keine zerrissenen Kleider. Natürlich nicht, warum auch?
    Jetzt sind sie an der Treppe zur Vorschule. Jan holt die Magnetkarte heraus, schielt aber ein letztes Mal zu Leo hin­unter und riskiert eine Frage: »Hat es Spaß gemacht, den Papa zu treffen?«
    Â»Hm.«
    Â»Und was habt ihr gemacht?«
    Â»Geredet«, sagt Leo. Er macht eine kleine Pause, dann erzählt er weiter: »Papa redet wahnsinnig viel. Die ganze Zeit.«
    Â»Ach, ehrlich?«
    Leo nickt und fängt an, die Treppe hochzusteigen.
    Â»Er sagt, alle würden ihn hassen.«

9
    In der ersten Woche arbeitet Jan jeden Tag von acht bis fünf in der »Lichtung«. Und jeden Abend kehrt er in seine dunkle Wohnung zurück. Das ist er gewohnt, er ist schon immer in stille Wohnungen zurückgekehrt, doch diese hier gehört noch nicht mal ihm. Sie fühlt sich nicht wie zu Hause an.
    Manchmal sitzt er abends am Zeichentisch und macht weiter mit dem Kampf Des Scheuen gegen Die Viererbande, aber wenn er müde ist, landet er einfach nur vor dem Fernseher, und da bleibt er dann auch.
    Tagsüber lernt er die Namen der Kinder, einen nach dem anderen. Leo, Matilda, Mira, Fanny, Katinka und so weiter. Er lernt, welche gern reden und welche eher schweigsam sind,

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