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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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vorkommt: Ivan Rössel.
    Der Mörder Rössel soll insgesamt neun Briefe bekommen.
    Das ist der einzige Name auf den Briefen, den Jan kennt. Es gibt keine Briefe an Alice Rami oder an Maria Blanker.
    Jan reibt sich die Augen und denkt nach. Wenn er schon nicht selbst zu Rami gelangen kann, dann kann er ihr ­vielleicht einen Brief schicken. Was hat er schon zu verlieren?
    In seiner Küchenschublade liegt eine Briefmappe, die ihm seine Mutter geschenkt hat, als er von zu Hause weggezogen ist. Sie enthält Umschläge aus handgeschöpftem Papier und dicke Briefbögen, von denen er jedoch in den vergangenen zehn Jahren kaum einen benutzt hat.
    Jetzt nimmt er einen Kugelschreiber und starrt ein paar Sekunden lang auf das leere weiße Papier, das er mit Worten füllen möchte. Es gibt so viel zu sagen.
    Doch am Ende stellt er nur eine einzige Frage:
    LIEBES EICHHÖRNCHEN, WILLST DU ÜBER DEN ZAUN HÜPFEN?
    Jan unterschreibt mit seinem eigenen Vornamen. Einen Moment lang erwägt er, auch seine Adresse hinzuzufügen, doch dann fällt ihm ein, dass Lars Rettig oder irgendein anderer Pfleger bestimmt das Antwortkuvert von Rami sehen wird. Wenn sie antwortet. Also schreibt er den Namen Jan Larsson und seine alte Adresse in Göteborg darauf. Anschließend adressiert er den Brief an das Krankenhaus und an Maria Blanker, klebt ihn zu und legt ihn zwischen die anderen Briefe.
    Als Jan tags darauf wieder in die »Lichtung« kommt, hat er die Lieferung für Patricias Patienten im Rucksack dabei. An diesem Montag wartet eine Abendschicht auf ihn, und er wird drei Stunden mit den Kindern allein sein. Wenn sie eingeschlafen sind, hat er genug Zeit, kurz zu Sankt Psycho in den Besuchsraum, der jetzt auch Postraum geworden ist, hinüberzugehen.
    In der Vorschule scheint alles ruhig zu sein, doch als er den Personalraum betritt, sitzt dort Marie-Louise mit einem fremden Mann am Kaffeetisch.
    Jan erstarrt. Plötzlich erinnert er sich deutlich an alles, was bei seiner letzten Nachtschicht geschehen war, an den unbekannten Besucher, der aus dem Fahrstuhl kam und durch die Vorschule in die Nacht hinaus entschwand.
    Doch als er den Mann näher ansieht, erkennt er plötzlich die Brille und das dicke braune Haar. Und den Mund, der nur selten lächelt.
    Â»Hallo, Jan. Wie geht es Ihnen?«
    Der Besucher ist Chefarzt Doktor Högsmed. Jan erwartet fast, wieder eine Sammlung von Mützen vor ihm auf dem Tisch liegen zu sehen, aus denen er eine wählen soll, doch da steht nur eine halb leere Kaffeetasse.
    Schnell zieht er die Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln hoch und tritt an den Tisch, um Högsmed die Hand zu schütteln.
    Â»Sehr gut, Doktor.«
    Â»Patrik.«
    Jan nickt rasch. Auch wenn Högsmed für ihn immer der Doktor sein wird.
    Högsmed betrachtet ihn. »Nun, haben Sie sich gut in alle Routinen eingearbeitet?«
    Der Doktor erwartet eine Antwort.
    Â»Ja, ja, durchaus«, beeilt sich Jan zu sagen. »Hier ist alles super.«
    Â»Das klingt doch gut.«
    Jans Lächeln verkrampft sich immer mehr. Er denkt an die Briefe im Rucksack, der natürlich verschlossen ist, aber trotzdem – ob Högsmed einen Verdacht hat? Ist Lars Rettig aufgeflogen?
    Schließlich wendet sich der Arzt Jans Chefin zu. »Und – läuft es gut mit ihm?«
    Högsmed klingt unbekümmert, und Marie-Louise nickt eifrig.
    Â»Oh ja, wir sind sehr zufrieden!«, erklärt sie. »Jan ist der Favorit der Kinder geworden, ein richtiger Spielkamerad. «
    Jan hört das Lob, kann sich aber dennoch nicht entspannen. Am liebsten würde er gehen, aus dem Personalraum und weg von Doktor Högsmed. Als Marie-Louise fragt, ob er auch einen Kaffee möchte, schüttelt er schnell den Kopf.
    Â»Danke, aber ich hatte gerade schon einen, kurz bevor ich losgefahren bin. Wenn ich zu viel davon kriege, fange ich an zu zittern«, sagt er und fügt noch hinzu: »Also, vom Koffein.«
    Dann macht er kehrt und geht zu den Kindern ins Spielzimmer. Hinter ihm beugt sich Högsmed über den Tisch und flüstert Marie-Louise etwas zu – aber die Kinder lachen und rufen nach ihm, sodass Jan Högsmed nicht belauschen kann.
    Â»Komm, Jan!«
    Â»Lass uns was bauen!«
    Natalie und Matilda ziehen ihn mit in ihr Spiel hinein, aber heute fällt es ihm schwer, so wie sonst zu spielen und zu scherzen. Immer wieder schielt er zur Tür und wartet nur darauf,

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