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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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so wenig wie möglich reden. Er hätte viel über Die Viererbande und alle anderen erzählen können, womöglich stundenlang, aber von Gequatsche würde doch nichts besser werden.
    Â»Keine Freunde«, sagte er nur.
    Â»Du hast keine Freunde?«, fragte Tony. »Warum nicht?«
    Â»Weiß nicht. Die anderen finden mich komisch.«
    Â»Und warum?«
    Â»Weil ich am Schreibtisch sitze und Comics zeichne.«
    Â»Du zeichnest?« Tony wirkte interessiert. »Und was machst du sonst in deiner Freizeit?«
    Â»Lesen. Und ein bisschen Schlagzeug spielen.«
    Â»In einer Band?«
    Â»Im Schulorchester.«
    Â»Und im Orchester hast du auch keine Freunde?«
    Jan schüttelte den Kopf.
    Â»Dann fühlst du dich also total einsam, Jan, als wärest du der einsamste Mensch auf der Welt?«
    Jan nickte.
    Â»Glaubst du, es ist deine Schuld, dass du so einsam bist?«
    Jan zuckte mit den Schultern. »Das ist es wahrscheinlich auch«, murmelte er.
    Â»Warum denn?«
    Jan dachte nach.
    Â»Weil alle anderen Freunde haben«, sagte er dann.
    Â»Ist das so?«
    Jan nickte. »Und wenn die das schaffen, dann sollte ich es wohl auch können.«
    Â»Hast du noch nie Freunde gehabt?«
    Jan sah aus dem Fenster. »Früher hatte ich mal einen, in meiner Klasse. Aber er ist weggezogen.«
    Â»Wie hieß er?«
    Â»Hans.«
    Â»Und wie lange wart ihr beiden Freunde?«
    Â»Solange ich denken kann. Seit dem Kindergarten, glaube ich.«
    Â»Das heißt aber doch, dass du durchaus Freunde haben kannst«, erklärte Tony. »Es liegt nicht an dir.«
    Jan senkte den Blick und hätte gern gesagt: Ich mache nachts ins Bett, das liegt an mir. Doch er schwieg.
    Â»Es liegt nicht an dir, Jan«, wiederholte Tony. Er lehnte sich zurück. »Und wir werden weiterreden, wenn es dir besser geht. Ist das eine Idee?«
    Â»Okay.«
    Damit durfte Jan gehen.
    Auf dem Weg zum Treppenhaus kam er an anderen Türen vorüber, und er las Schilder mit Namen und langen Titeln: Gunnar Toll, Dr. psych., Lumila Nilsson, Dr. med., Emma Halevi, Dr. psych., Peter Brink, Vormund. Keiner der Namen sagte ihm etwas.

Luchs
    Jan erwachte auf dem Rücken liegend auf einem harten Boden und wunderte sich, wo er war. Nicht zu Hause jedenfalls. Er hatte sich, voll bekleidet mit Mütze und Schal, irgendwo hingelegt. Und war eingeschlafen. Aber wo?
    Ãœber ihm war eine niedrige Decke aus Stahlbeton.
    Da erinnerte er sich. Er war draußen im Wald im Bunker. Er war hineingekrochen, wollte nur ein wenig ausruhen, und da war es passiert.
    Dumm. Gefährlich.
    Er richtete sich ein wenig auf und stellte fest, dass die Stahltür halb offen stand – seine Stiefel ragten fast aus der Türöffnung. Draußen konnte er das Grau des Waldes unter einem ebenso grauen Himmel erkennen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch es würde nicht mehr lange dauern.
    Plötzlich fürchtete Jan, dass William in der Dunkelheit davongeschlichen sein könnte, doch als er den Kopf zu der Matratze hinüberwandte, konnte er einen halben Meter entfernt einen kleinen Hügel unter Wolldecken erkennen. Aus dem gleichmäßige Atemzüge zu hören waren. Der kleine William schlief noch.
    Die Luft im Bunker war kalt, und Jan war durchgefroren. Seine Beine waren taub, er hob sie an und bewegte sie, um in Gang zu kommen.
    Langsam setzte er sich auf. Er fühlte sich nicht ausgeruht, sondern nur steif und schmutzig.
    Gestern Abend, als der Plan funktioniert hatte und seine Phantasie Wirklichkeit geworden war, hatte er ein berauschendes Siegesgefühl verspürt. Jetzt, am Morgen, kam ihm alles falsch vor. Er lag in einem Bunker neben einem Kind, das er am Tag zuvor eingesperrt hatte – was machte er da eigentlich?
    William rührte sich unter den Decken, und Jan erstarrte. Ob er jetzt aufwachte? Nein, noch nicht.
    Jan nahm den Roboter mit nach draußen, stellte ihn neben den Bunker und spielte drei neue beruhigende Texte ein. Dann schaltete er ihn auf Stand-by, sodass Williams Stimme ihn aktivieren würde. Als Nächstes kroch er in den Bunker zurück und platzierte den Roboter gut sichtbar.
    Ein helles Husten war zu hören. William hustete noch einmal und streckte eine kleine Hand aus den Decken, die dann über den Beton fuhr.
    Schnell zog Jan sich zurück, kroch aus dem Raum und verriegelte die Stahltür.
    Sechsundvierzig Stunden, dachte er und sah auf die

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