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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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möchte, oder? Doch er tut es nicht. Er kann so etwas nicht schreiben, wenn Rami selbst es nicht will.
    In der Klapse hatte sie im Grunde genommen jeden Tag davon gesprochen abzuhauen. Rami wollte raus aus der Jugendpsychiatrie, sie wollte nach Stockholm zu ihrer großen Schwester – sie war zwar erst vierzehn, doch sie hatte große Pläne.
    Jan hatte überhaupt keine großen Pläne. Er wollte nur mit Rami zusammen sein.
    Echte Liebe stirbt keinen natürlichen Tod. Sie wird von denen ermordet, die über uns bestimmen.
    Das sollte er stattdessen schreiben, dieser Brief ist nicht gut. Er knüllt ihn zusammen und beginnt von Neuem:
    Maria, ich heiße Jan Hauger und arbeite im Sankt Patricia, aber nicht im Krankenhaus selbst. Ich bin Erzieher, aber manchmal glaube ich, dass ich ein Luchs bin. Du hast selbst einen neuen Namen und betrachtest Dich als Eichhörnchen, aber als wir einander kannten, warst Du Alice Rami. Oder?
    Ich bin fast sicher, dass es so ist und dass Du es bist, die ich in einer anderen Stadt an einem Ort, der » die Klapse « hieß, getroffen habe, und dass ich im Zimmer neben Dir gewohnt habe. Wir haben zusammen Musik gemacht und einander Geheimnisse erzählt  – und wir haben uns gegenseitig versprochen, dass jeder für den anderen eine Sache erledigt, wenn er rauskommt. Das war ein Pakt zwischen uns.
    Ich würde Dich gern wiedersehen und mit Dir über den Pakt reden, denn ich habe meinen Teil erfüllt, und ich glaube, dass Du auch den Deinen erfüllt hast  ...

Die Klapse
    Â»Sieh mal!«
    Ramis Ruf ließ Jan zusammenzucken. Er hatte auf dem Fußboden gesessen und völlig in sich versunken leise zu ihren Gitarrenakkorden getrommelt, doch jetzt hatte sie plötzlich ihr Spiel unterbrochen. Rami war vom Bett gestiegen und an den Schreibtisch vor dem Fenster getreten. Sie zeigte hinaus.
    Â»Hast du mein Schutztier gesehen?«
    Jan sah sie verwundert an. »Was?«
    Â»Da draußen ist es, auf dem Rasen.«
    Jan begriff nicht, wovon sie sprach, aber er stand auf und schaute aus dem Fenster. Da unten hüpfte ein braunes kleines Wesen hin und her über den Rasen. Nach jedem Hüpfer erstarrte es kurz und sah sich um, ehe es wieder losflitzte.
    Â»Das ist ein Eichhörnchen«, sagte Jan.
    Â»Eichhörnchen bedeuten Glück, das meint meine Oma Karin«, erklärte Rami, die Nase an die Scheibe gedrückt. »Und ich habe es mir ausgedacht, ich kann es wegschicken, in die Freiheit hinaus.«
    Und fast im selben Moment raste das Eichhörnchen zum Zaun. Es machte einen Satz in die Stahlösen und kletterte durch den Stacheldraht. Mit einem Riesensatz landete es auf einem Baum außerhalb der Einzäunung. Es flitzte in die Baumkrone hinein und war verschwunden.
    Â»Hinaus in die Freiheit ...« Rami blickte Jan über die Schulter an. »Das da waren meine Gedanken, die durch den Zaun abgehauen sind. Die sind jetzt frei!«
    Jan versuchte in Ramis Miene zu lesen, ob sie das ernst meinte, und das tat sie. Zumindest lächelte sie nicht.
    Da fiel ihm auf, dass er jetzt sehr nahe bei ihr stand. Er konnte sie riechen, eine Mischung aus Gras und Harz. Langsam wurde die Situation ein wenig peinlich, und er meinte, etwas sagen zu müssen.
    Â»Also, du ... heißt nur Rami?«
    Sie nickte.
    Â»Vorher hieß ich Alice, aber Rami reicht.« Sie ging zum Bett zurück und nahm die Gitarre, schlug ein paar Akkorde, sah Jan an und sagte: »Weißt du, was wir machen sollten?«
    Â»Was denn?«
    Â»Wir geben ein Konzert«, erklärte Rami. »Wir üben noch ein bisschen, und dann spielen wir für die Gespenster.«
    Â»Welche Gespenster?«
    Â»Alle, die Gefangenen in der Klapse.«
    Jan nickte, doch er betrachtete sich nicht als gefangen. Für ihn war der Zaun ein Schutz vor dem Rest der Welt.
    Plötzlich ging Ramis Tür auf. Eine schwarzhaarige Frau mit einer großen glänzenden Brille streckte den Kopf herein.
    Â»Alice?«
    Rami erstarrte.
    Â»Was ist?«
    Â»Vergiss nicht unsere Therapiestunde heute. Um drei Uhr.«
    Rami erwiderte nichts.
    Â»Wir werden einfach nur reden«, versprach die Frau. »Ich weiß, dass du dich dann gut fühlen wirst.«
    Die Tür wurde wieder zugezogen.
    Â»Die Psychotante«, zischte Rami Jan zu. »Ich hasse sie.«
    Am fünften Morgen in der Klapse saß Jan in seinem Zimmer und zeichnete an der Serie über Den

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