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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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erklärte er.
    Nina nickte, das wusste sie schon.
    Â»Es ist etwas passiert. Sie werden mit jedem von uns sprechen, einzeln«, flüsterte sie Jan zu.
    Â»Warum?«, fragte er.
    Nina sprach jetzt noch leiser: »Offensichtlich haben Williams Eltern heute mit der Post einen Brief bekommen, in dem die Mütze des Jungen war. Die Polizei vermutet, dass ihn jemand entführt hat.«

36
    Es gibt etwas, das Jan an der Vorschule liebt und das er jeden Tag sieht: die reinen Gesichter der Kinder. Ihre ehrlichen Blicke. Kinder verbergen nichts, sie wissen gar nicht, wie man das macht.
    Aber als er für seine Nachtschicht zur Arbeit kommt, ist Lilian da, und ihr fällt es schwer zu verbergen, wie es ihr an diesem Abend geht. Ihr rotes Haar ist ungekämmt, die Bluse zerknittert, und ihre Augen wirken dunkel und müde. Es geht ihr schlecht.
    Â»Alles in Ordnung, Lilian?«, fragt Jan.
    Â»Ja, super«, sagt sie leise.
    Â»Stimmt irgendwas nicht?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Nein, ich will einfach nur nach Hause.«
    Aber wahrscheinlich wird sie noch ausgehen, vielleicht zu Bills Bar. Jan findet, dass sie Tag für Tag schlechter aussieht. Vielleicht ist es der Herbst. Oder der Alkohol. Sie trinkt zu viel, das weiß er schließlich. Aber über so etwas spricht man nicht.
    Danke sehr, aber ich habe meine eigenen Probleme, denkt er.
    Als Lilian weg ist, geht er zu den Kindern ins Spielzimmer. Dort sitzen Mira und Leo, die einzigen Übernachtungskinder, in einem Meer aus Bauklötzen. Jan lächelt und setzt sich zu ihnen.
    Â»Was für ein schönes Haus!«
    Â»Ich weiß!«, ruft Mira.
    Leo sieht wie immer weniger zufrieden aus, aber er erscheint heute ausgeglichen. Jan nimmt ein paar Bauklötze.
    Â»Ich werde ein Krankenhaus bauen«, kündigt er an.
    Drei Stunden und viele Spiele später ist es wieder Nacht. Mira und Leo liegen nach Abendessen und Vorlesen in ihren Betten, und jetzt ist es still in ihrem Zimmer. Die Kinder schlafen, und Jan sitzt in der Küche und trägt die Vorbestellungen in den Speiseplan ein.
    Er arbeitet und lässt die Zeit vergehen. In seiner Tasche versteckt befinden sich die siebenunddreißig Briefe, die er bald ins Krankenhaus bringen wird.
    Einer davon ist von ihm, an Rami. Als er sich nämlich erst einmal warmgeschrieben hatte, saß er in seiner Küche und verfasste einen fünf Seiten langen Brief an sie. Er hat von ihrer gemeinsamen Zeit in der Klapse geschrieben und über Gesprächsthemen, von denen er noch weiß. Und er hat geschrieben, was ihm danach passiert ist; dass er Erzieher geworden und schließlich in der »Lichtung« gelandet ist.
    Er hatte sich vorgenommen, keine weiteren Briefe mehr zu überbringen, aber dieser Vorsatz hat sich in Luft aufgelöst.
    Zum Schluss hat er noch geschrieben, dass er sie nicht vergessen konnte. Ich vergesse dich nie . Das war keine Liebeserklärung, sondern die Wahrheit.
    Er hebt den Kopf und sieht sich selbst. Im Küchenfenster sieht er sein Spiegelbild in der Dunkelheit. Aber plötzlich entdeckt er dahinter noch etwas anderes, schmale Schatten, die sich draußen in der Nacht bewegen.
    Tiere – oder Menschen?
    Er beugt sich etwas näher an die Fensterscheibe. Wenn das da draußen Menschen sind, dann bewegen sie sich dicht am Zaun zwischen zwei Scheinwerfern, dort, wo es am dunkelsten ist.
    Jan erwägt rauszugehen, doch er tut es nicht. Er arbeitet einfach am Speiseplan weiter.
    Plötzlich klingelt es hart und lang anhaltend an der Tür.
    Jan sieht auf, rührt sich aber nicht.
    Die Klingel verstummt. Es ist wieder still, aber drei Minuten später klopft es direkt vor ihm ans Küchenfenster. Er fährt zusammen.
    Ein bleiches Gesicht starrt unbeweglich durch die Fensterscheibe. Draußen steht ein langer, knochiger Mann mit kahl geschorenem Schädel. Er trägt eine dicke Steppjacke und darunter die weiße Krankenhauskleidung. Jan kennt ihn nicht.
    Â»Machen Sie mal auf?«, fragt er.
    Jan zögert, und der Mann ruft: »Sind Sie allein?«
    Jan schüttelt den Kopf.
    Â»Wer ist noch da?«, will der Mann wissen.
    Â»Wer sind Sie?«, ruft Jan zurück.
    Â»Ich bin Wachmann in der Nacht-Sec. Machen Sie mal auf!«
    Jan rührt sich nicht. Er fragt sich, ob der Mann Lars Rettig kennt, doch dann fragt er: »Können Sie sich ausweisen?«
    Der Wachmann zieht eine Plastikkarte heraus, hält sie ein paar Sekunden an

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