So coache ich
Perspektivwechsels kann aus der Fassungslosigkeit herausführen und Handlungsalternativen zeigen.
Stellen wir uns jemanden vor, der über einen Kollegen klagt: »Der schafft das immer wieder, Arbeit abzuwenden. Ich schufte wie ein Idiot und der macht sich ein schönes Leben. Warum ist der so, wir anderen machen ja auch ordentlich unsere Arbeit?« Darin enthalten ist die unausgesprochene Frage: »Warum ist der nicht so wie ich?« Die Antwort lautet: »Weil der anders ist!«
Das hilft dem Fragenden auch nicht viel weiter. Deshalb versuchen Sie es mal mit dem Perspektivwechsel. Und der könnte folgendermaßen ablaufen:
»Stellen Sie sich vor, Ihr Kollege säße jetzt hier und würde mir aus seiner Sicht die Situation schildern. Was würde der mir erzählen?«
»Der würde vielleicht sagen, dass wir alle bekloppt sind, so viel zu arbeiten.«
»Was würde er noch über sich und seine Lebenssituation sagen?«
»Vielleicht, dass er frustriert ist. Er wollte mal Gruppenleiter werden, aber der andere Kollege hat ihm den Job weggeschnappt. Na ja, und er ist total beschäftigt mit dem Umbau von dem alten Haus, das er geerbt hat.«
»Sagen Sie das bitte einmal in seinen Worten, als wären Sie er.«
»Ich hab mir da ein bisschen viel vorgenommen mit diesem Umbau. Die Bude ist noch nicht fertig, aber wir mussten schon einziehen, um Geld zu sparen. Wir leben auf einer Baustelle. Jeden Abend und jedes Wochenende bin ich am Schuften.«
»Haben Sie das jetzt erfunden, oder ist das wirklich so?«
»Nein, das weiß ich von ihm, und man sieht ihn auch rumwerkeln, wenn man an dem Haus vorbeifährt.«
»Was würde er in seinen Worten über die Nicht-Beförderung sagen?«
»Der alte Chef hatte mir jahrelang versprochen, dass ich sein Nachfolger werde, wenn er in Pension geht. Und dann hat er sich doch für diesen jungen Schnösel entschieden. Pah, soll der doch sehen, wie er fertig wird. Also, ich reiße mir kein Bein mehr aus.«
»Wenn Sie die Situation jetzt nur aus der Sicht des Kollegen sehen, können Sie Verständnis dafür aufbringen?«
»Ja, natürlich, schon. Aber das darf doch nicht auf meine Kosten gehen!«
»Da haben Sie völlig recht. Was können Sie tun, damit die ganze Arbeit nicht an Ihnen hängen bleibt?«
»Ich müsste öfter Nein sagen. Und eigentlich ist es ja Sache des Chefs, dass er sich darum kümmert. Der sieht doch auch, was los ist.«
»Warum glauben Sie, dass der sich nicht kümmert?«
»Der will keinen Ärger. Und es geht ja auch so.«
»Ja, solange Sie mitspielen.«
»Tja, dann muss ich wohl mal was ändern.«
Merken Sie, worauf ich hinauswill? Es hilft niemandem, mit dem Finger auf andere zu zeigen: »Die sind schuld.« Oder wie ich salopp zu sagen pflege: »Da kannst du dir ein Ei drauf braten.« Eine Erkenntnis des Perspektivwechsels soll sein: Menschen sind, wie sie sind. Und sie werden sich nicht ändern, nur weil wir uns das wünschen. Wenn überhaupt, schaffen es Menschen nur aus eigener Einsicht, sich zu ändern. Es ist daher für den, der sich beklagt, wesentlich effektiver, die Energie auf das zu lenken, was einzig helfen kann: sein eigenes Handeln.
Die pubertierende Tochter versinkt in ihren Hormonen und verhaut jede Schulaufgabe? Stehen Sie zu ihr, machen Sie ihr Mut, fordern Sie ein Mindestmaß an Anstrengung – und hoffen Sie, dass dieses »Gewitter im Hirn«, wie Experten sagen, nach ein, spätestens anderthalb Jahren wieder vorbei ist.
Die Eltern nutzen jeden Besuch von Ihnen, um über ihre Situation zu jammern? Sprechen Sie das an und sagen Sie ihnen klar und deutlich, dass Sie gar keine Lust auf Besuche mehr haben, wenn sich das nicht ändert.
Ihre Freunde nutzen Sie aus? Wer allein kann das verhindern? Sehen Sie, es funktioniert.
Eine wichtige psychologische Erkenntnis ist: Kein Mensch handelt ohne Grund. Das heißt, Menschen haben einen Grund, so zu sein, wie sie sind, und das zu tun, was sie tun – auch wenn wir anderen das nicht verstehen oder nachvollziehen können. Wir können allerdings unsere Reaktionen auf dieses Handeln verändern.
Besonderheit beim Coachen
Bringen Sie Ihr Gegenüber dazu, nicht über den anderen, sondern mit der Stimme des anderen zu sprechen. Ermutigen Sie ihn, sich in die Rolle des anderen hineinzuversetzen. Es ist erstaunlich, wie gut das den meisten Menschen gelingt. Und geleiten Sie Ihr Gegenüber dann aus der Empörung ins Handeln: Ja, der andere ist so gepolt. Nein, Sie werden ihn nicht ändern. Wenn der andere ist, wie er
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