So einfach kann das Leben sein
Bleistifte für 6,99 Euro. Sie legte die Packung in den Einkaufswagen. Auf dem Weg zur Kasse füllte er sich Stück um Stück. An der Kasse legte sie alles aufs Band. Das Schnäppchen kam zum Schluss. „Wofür brauchste die denn?“, fragte ein zehnjähriger Rotschopf, der einen Riegel Schokolade in der Hand hatte. Noch bevor er weiterfragen konnte, ob sie Lehrerin sei oder eine ganze Nachbarschaft mit Bleistiften versorgen müsse, drückte sie ihm die Schachtel in die Hand: „Bring sie wieder zurück an ihren Platz. Und bring dir einen zweiten Riegel Schokolade mit – für die beste aller Einkaufsfragen.“
Die Grenze reizt zur Überschreitung. Wir können so viel, und dürfen doch nicht alles davon verwirklichen. Das Herz trauert gern über all die verpassten Gelegenheiten, sich groß zu fühlen. Wer immer wieder Maß hält, sucht die Größe in der Freiheit, sich beschränken zu können aus Liebe zu Gott, zu den Menschen und zur Schöpfung.
2. Die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit
Die Grenze vom Ich zum Du ist Trennungslinie und Berührungsstelle zugleich. Hier entscheidet sich, ob Sie einen Schritt zurückweichen oder einen Schritt weiterkommen. Je näher Sie dem anderen kommen, umso mehr lassen Sie sich von ihm bestimmen. Wagen Sie es, eröffnen sich Ihnen neue Horizonte. Dafür müssen Sie alte Sicherheiten aufgeben, ohne dass sich Ihnen schon gleich neue bieten. Wer glücklich leben will, wagt sich in neue Beziehungswelten. Für ihn zählen das Du und seine Freude mehr als das Festhalten am eigenen Ärger. Es ergreift der die Hand, die sich ihm entgegenstreckt, der bereit ist, sich verwandeln zu lassen zu einem neuen Weg. Darum ist nicht nur der Bedürftige der Arme. Seine Armut öffnet auch Ihnen die Augen für Ihre Grenzen. Sie können nicht alles ändern. Und müssen es auch nicht. Sie können nicht allen helfen. Und auch das müssen Sie nicht. Ihre gute Tat ist immer ein Einzelfall der Zuwendung. Sie verliert an Tiefe, wenn Sie gnadenlos in die Hektik verfallen, jeder Not begegnen zu wollen. Wägen Sie ab, ob Sie sich hier zuwenden können oder sich dort abwenden müssen. Gut sein ist keine Automatik. Keiner kann allen Barmherzigkeit erweisen. Allein Gott kann jedem sein Erbarmen zuwenden. Wer glauben kann, zähmt die Fantasie, allen helfen zu wollen; er überlässt Gott die Sorge um alle – und wählt als begrenzter Mensch hier und jetzt die gute Tat.
Die Werke der Barmherzigkeit fragen nach dem Handeln im Einzelfall. Die christliche Tradition entnimmt sie dem Matthäusevangelium (Kapitel 25, Verse 31–46). Im Bild vom Weltgericht wird drängend deutlich: Wohl und Wehe der Welt hängen von den Menschen ab, die eingreifen. Die leiblichen Werke der Barmherzigkeit sind einschneidende Maßnahmen, um Menschen aufzurichten. Nicht jedem liegt es, dem Nächsten so nahe auf den Leib zu rücken. Gut ist, wer sich einübt, die eigenen Möglichkeiten zum Gutsein zu erweitern.
Dabei können Ihnen folgende Fragen helfen: Wer hat mir Barmherzigkeit erwiesen? Warum konnte ich das annehmen? Wer hat mich schon einmal abgelehnt, als ich helfen wollte? Wie habe ich es ihm schwer gemacht, mich anzunehmen? In welchem leiblichen Werk der Barmherzigkeit will ich mich demnächst einmal neu ausprobieren?
Hungrige speisen
Am Bettler vor dem Kauf haus gingen viele vorbei. Müde sah er hin und wieder in seinen leeren Hut. H U N G E R ! stand mit ungelenker Schrift auf einem Pappschild, das er vor sich auf den Boden gelegt hatte. Als Moni ihn von weitem schon wieder an seinem Stammplatz sitzen sah, fasste sie einen Entschluss. Beherzt beschleunigte sie ihren Schritt. Sie ging neben ihm in die Hocke. „Dort drüben am Stand könnten wir gemeinsam etwas essen. Ich lade sie ein.“ Unbeholfen reichte sie ihm die Hand. Er schaute sie unsicher an. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Nix Hunger. Nur Geld“, kam es leise über seine Lippen. „Großer Boss nur Geld sehen.“
Die Erde bringt ihre Nahrung für alle hervor. Wenn Menschen hungern müssen, ist das ein Unrecht. Verantwortlich dafür sind Strukturen, in denen die einen zu Bettlern gemacht werden und andere in ihrem Überfluss fast umkommen. Im Kleinen wie im Großen speist der die Hungrigen am nachhaltigsten, der die Fixierung auf den Besitz löst und andere eben darin unterstützt.
Durstige tränken
„Mutter wirkt bisweilen ein wenig verwirrt“, dachte Dennis, als er das Zimmer seiner Mutter nach dem täglichen Pflichtbesuch
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