So fern wie ein Traum
machen wir miteinander, wenn das alles weitergeht?
»Wir machen uns besser auf den Rückweg. Du willst Seraphina sicher nicht warten lassen.« Er hob sein Hemd vom Boden auf.
»Michael.« Sie legte eine Hand auf seine Brust, als er sie in den Sattel hob. »Du wirst mir fehlen.«
»Gut.«
Michael war nicht nur ein paar Tage, sondern beinahe zwei Wochen fort. Laura sagte sich jeden Abend, dass er nicht verpflichtet war, sie anzurufen und ihr zu erklären, weshalb er nicht längst wieder zu Hause war. Oder einfach nur, damit sie seine Stimme hören konnte, dachte sie.
Sie sagte sich, dass ihr Verhältnis das zweier Erwachsener war, dass jeder von ihnen beiden kommen und gehen durfte, wie es ihm gefiel. Dass sie nur deshalb so in Sorge war, weil sie zuvor nie ein derartiges Verhältnis gehabt hatte. So in Sorge, so verwundert, so verletzt.
Dabei hatte sie alle Hände voll zu tun. Und bittere Erfahrung hatte sie gelehrt, niemals wieder zuzulassen, dass ein erfülltes Leben für sie gleichbedeutend mit einem männlichen Partner war. Ein erfülltes Leben zu leben war ihre eigene Aufgabe, eine, die sie nie wieder vernachlässigen würde.
Mit ihrer Arbeit, ihren Kindern, ihrer Familie und ihren Freundinnen hatte sie ein erfülltes, zufriedenes Leben, dachte sie. Vielleicht würde sie es gern mit Michael teilen, vielleicht würde sie gern Teil von seinem Leben sein, aber sie war kein liebeskranker Teenager, der Stunde um Stunde am Telefon sitzen würde, in der Hoffnung, dass es klingelte.
Obgleich sie ein- oder zweimal versuchte, es durch Willenskraft tatsächlich zum Klingeln zu bringen.
Im Augenblick jedoch hatte sie andere Probleme als das Telefon. Keine zwei Stunden waren es mehr bis zur Frühjahrsaufführung von Alis Ballettschule und bisher war keiner von ihnen fertig angezogen. Obendrein hatte eins der Kätzchen zum Entsetzen und Ekel sämtlicher weiblicher Anwesenden einen Haarball auf Kaylas Bett ausgespuckt, und einer der ausgewachsenen Kater hatte auf seinem Erkundungsgang Bongo dazu verführt, laut bellend hinter ihm durch den Kräutergarten zu jagen, was das Ende der Kamille und des Gänsefingerkrauts bedeutet und Bongo eine blutige Nase eingebracht hatte.
Nichts, was Laura tat, lockte den beleidigten, zischenden Kater von der Zypresse herunter, auf die er sich geflüchtet hatte, während Bongo jämmerlich winselnd unter ihr Bett gekrochen war.
Die größten Probleme aber bereitete ihr Ali selbst. Das Mädchen war schlecht gelaunt, wenig kooperativ und weinerlich. Ihr Haar sah einfach schrecklich aus, erklärte sie. Sie hatte Bauchschmerzen. Sie wollte nicht an der Aufführung teilnehmen. Sie hasste Aufführungen jeder Art. Sie hasste alles und jeden, verkündete sie voller Entschiedenheit.
Mühsam beherrscht versuchte Laura noch einmal, Alis Haar so zu frisieren, dass es dem Kind gefiel.
»Schatz, falls du nervös bist, ist das vollkommen normal. Aber ich bin sicher, du machst deine Sache wunderbar. Bisher hast du sie immer wunderbar gemacht.«
»Ich bin nicht nervös.« Schmollend betrachtete Ali ihr Spiegelbild. »Ich bin nie nervös, bevor ich tanze. Ich habe einfach keine Lust.«
»Die Leute verlassen sich auf dich – deine Lehrer, die anderen Mädchen in der Gruppe. Die ganze Familie. Du weißt, wie aufgeregt Großmutter und Großvater waren, als sie vorhin zu Onkel Josh aufgebrochen sind. Wir alle freuen uns schon so darauf, dich tanzen zu sehen.«
»Aber ich kann mich auf niemanden verlassen, oder was? Außer mir muss anscheinend niemand jemals tun, was er verspricht«, antwortete Ali erbost.
Jetzt fing alles wieder von vorne an, dachte Laura und sagte: »Es tut mir Leid, das du enttäuscht bist, weil dein Vater nicht kommen wird. Er hat. . .«
»Er ist mir vollkommen egal.« Übellaunig zuckte Ali mit den Schultern und wand sich unter den Händen ihrer Mutter hervor. »Er kommt sowieso nie, wenn er es sagt. Das ist egal.«
»Worum geht es dann?«
»Um nichts. Ich werde tanzen. Ich werde es tun, weil ich meine Versprechen halte. Mein Haar sieht jetzt viel besser aus«, sagte sie in würdevollem Ton. »Vielen Dank.«
»Liebling, wenn du…«
»Ich muss mich jetzt weiter anziehen.« Sie presste ihre Lippen aufeinander, ein kleines Mädchen, hübsch anzusehen in Strumpfhosen und Ballettröckchen. »Es ist nicht deine Schuld, Mama. Ich wollte nicht, dass es so klingt. Auf dich bin ich nicht böse.«
»Was…«
»Mama!«, drang Kaylas Jammern durch den Korridor. »Ich finde meine roten
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