So fern wie ein Traum
Die Menschen, die sie beide kannten, wussten es. Und am Ende würde auch sie es einsehen. Doch dann brächte es ihn um.
Vielleicht, wenn er nicht mit seinem alten Kumpel in Los Angeles zusammengetroffen wäre, mit dem er zusammen bei der Handelsmarine gewesen war, mit dem er zusammen gesoffen und Schlägereien angezettelt hatte, mit dem er zusammen, nachdem das Meer seinen Reiz verloren hatte, als Söldner in den Krieg gezogen war…
Aber er hatte ihn getroffen, sie hatten die alten Geschichten wieder aufgewärmt und mit ihnen war die Erinnerung zurückgekehrt. Und während eines bitteren, erhellenden Moments hatte er in das säuerliche, verbitterte, verbrauchte Gesicht seines Gegenübers gesehen. Und hatte sich selbst darin erblickt.
Michael Fury war ein Mann, von dem er niemals wollte, dass er Laura jemals anrührte, ein Mann, von dem er niemals wollte, dass sie ihm auch nur begegnete. Sollte ein solcher Mann versuchen, sie kennen zu lernen oder gar zu berühren, bekäme sie sicher einen Schock.
Ehe einer von ihnen beiden sich dieser Tatsache bewusst würde, würde er ihr den Gefallen tun und sie verlassen.
Während Ali über die Bühne wirbelte, drückte Laura seine Hand. Und brach ihm endgültig das Herz.
»Sehen sie nicht wundervoll aus?«, murmelte Margo neben Josh.
Josh klopfte geistesabwesend mit seinem Fuß im Rhythmus der Musik und sah weiter seine Nichte an. »Sie sind alle phantastisch, aber Ali ist die beste«, sagte er.
»Natürlich ist sie das.« Leise lachend beugte sich Margo dichter an sein Ohr. »Aber ich habe Laura und Michael gemeint.«
»Hmm?« Immer noch geistesabwesend blickte Josh auf das Paar, das in der Reihe vor ihm saß. »Was ist mit ihnen?«, fragte er.
»Sie sind ein wirklich schönes Paar.«
»Ja, ich nehme an…« Er brach ab, als ihm die Bedeutung des Gesagten klar wurde. »Paar, Paar. Was meinst du damit, sie sind ein wirklich schönes Paar?«
»Pst.« Um ein Haar hätte sie laut gelacht. »Ich meine damit, sie sind ein wirklich schönes Paar. Willst du etwa behaupten, du hättest bisher noch nichts davon bemerkt?«
Seine Kehle wurde trocken, und er räusperte sich. »Die beiden gehen doch wohl nicht miteinander aus.«
»Miteinander aus.« Sie hielt sich die Hand vor den Mund, sonst wäre ihr Lachen endgültig herausgeplatzt. »Um Himmels willen, Josh, die beiden gehen seit Wochen miteinander ins Bett. Wie kommt es, dass du davon nichts weißt?«
»Gehen miteinander…« Schock, Zorn und Unglauben wallten in ihm auf. »Woher zum Teufel weißt du das?«
»Laura hat es mir erzählt«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Und außerdem habe ich Augen im Kopf. Pst«, zischte sie erneut, als er den Mund öffnete. »Die Leute drehen sich schon zu uns um. Außerdem ist Ali jetzt mit ihrem Solo dran.«
Er schloss den Mund, aber in seinem Hirn wirbelten tausend Gedanken herum. Er musste über vieles nachdenken. Und Michael Fury schuldete ihm eine ausführliche Erklärung, dachte er.
19
Am Abend der Aufführung hatte Josh nichts tun können als mit seiner Frau nach Hause zu fahren, sie zur Rede zu stellen, warum sie ihm nicht schon viel früher etwas gesagt hatte, und anschließend mit ihr darüber zu streiten, was von der Situation zu halten war. Josh hatte ihre Meinung auf ihre weiblichen Hormone zurückgeführt. Frauen hatten Michael schon immer als den Helden ihrer romantischen Vorstellungen gesehen – was sein Glück, doch jetzt der Knackpunkt der Geschichte war.
Josh fand ihn auf der Koppel, wo er einen Einjährigen an der Longe laufen ließ. »Ich muss mit dir reden, Fury«, sagte er ohne jede Einleitung.
Michael kannte diesen Ton. Er besagte, dass Josh irgendeine Laus über die Leber gelaufen war. Allerdings war er nicht in der Stimmung für einen Streit, nicht solange er den Ausdruck verwirrter Verletztheit in Lauras Gesicht vor Augen hatte, als er am Vorabend mit einem flüchtigen Tätscheln ihres Kopfes und der Bemerkung, er wäre vollkommen geschafft, vor ihr geflohen war. Mit anderen Worten, ich gehe jetzt ins Bett, mein Herz, aber du bleibst bitte, wo du bist.
Trotzdem ließ er den Einjährigen los und trat an den Zaun, wo Josh ihn voller Ungeduld erwartete. »Nun, schieß schon los«, sagte er ohne jede Spur von Freundlichkeit.
»Schläfst du mit meiner Schwester, ja oder nein?«
Aha, der Augenblick der Wahrheit war gekommen, dachte er. »Zum Schlafen kommen wir nur selten«, sagte er in leichtem Ton, sodass Josh ihn am Kragen seines Hemdes packte und gegen
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