So fern wie ein Traum
»Aber warum bist du dann überhaupt noch einmal hierher zurückgekommen?«, fragte sie.
»Immerhin habe ich noch meine Pferde hier.« Er zwang sich ein Grinsen ins Gesicht.
»Du bist zu Alis Aufführung gekommen. Du hast ihr Blumen mitgebracht.«
»Ich habe der Kleinen gesagt, dass ich kommen würde. Ich mache nicht viele Versprechen, aber die, die ich gebe, halte ich auch.« Wenigstens in diesem Punkt konnte er vollkommen ehrlich sein. »Du hast zwei wunderbare Kinder, Laura. Es war mir ein großes Vergnügen, sie kennen zu lernen. Und es wäre mir nicht im Traum eingefallen, sie gestern Abend im Stich zu lassen«, sagte er.
»Wenn du gehst, werden die beiden am Boden zerstört sein«, antwortete sie ihm. »Sie werden…«
».. . darüber hinwegkommen. Ich bin einfach nur ein Typ, mit dem sie für kurze Zeit zu tun hatten.«
»Das glaubst du doch wohl selber nicht.« Sie trat energisch auf ihn zu. »Du glaubst ja wohl selbst nicht, dass du ihnen so wenig bedeutest. Sie lieben dich, Michael. Ich…«
»Ich bin nicht ihr Vater. Jetzt versuch nicht, mir irgendwelche Schuldgefühle einzutrichtern, ja? Ich habe mein eigenes Leben, um das ich mir genug Gedanken machen muss.«
»Das soll es dann also gewesen sein.« Sie atmete weder leicht noch langsam ein. »Vielen Dank, es war sehr nett? Wir haben dir also alle drei nicht das Geringste bedeutet, meinst du das?«
»Natürlich habt ihr mir was bedeutet. Hör zu, Süße, das Leben ist lang. Im Verlauf der Jahre hat man mit jeder Menge Leute zu tun. Wir beide haben einander das gegeben, was wir eine Zeit lang gesucht haben.«
»Einfach Sex.«
»Phänomenalen Sex.« Er lächelte. Im gleichen Moment wich er dank seiner guten Reflexe gerade noch geschickt der Flasche aus, die sie in seine Richtung schleuderte. Sie stürzte sich auf ihn, noch bevor er sich von seinem Schock erholt hatte, und trommelte mit ihren Fäusten so unerwartet auf ihn ein, dass er zwei Schritte rückwärts taumelte. »He!«
»Wie kannst du es wagen?«, fauchte sie. »Wie kannst du es wagen, das, was wir beide hatten, das, was ich empfunden habe, derart herunterzumachen? Du elender Hurensohn, bildest du dir allen Ernstes ein, du könntest mich einfach abschütteln wie eine lästige Staubflocke und so tun, als wäre nie etwas geschehen?«
Als Nächstes flog eine Lampe durchs Zimmer, und Michael konnte nur noch sprachlos zusehen und möglichst flink ausweichen, während sie mit allem, was auch immer ihr gerade in die Hände fiel, auf ihn zielte.
»Du hättest nicht gedacht, dass ich dir eine Szene machen würde, stimmt's?« Sie packte den Tisch und stieß ihn kraftvoll um. »Aber da hast du dich geirrt. Dachtest du ernsthaft, du könntest mich einfach mit einem Fingerschnippen abservieren und ich würde gesenkten Hauptes davonschleichen, ein wenig in meine Kissen schluchzen, und das wär's dann?«
Er richtete sich wieder auf. »So in etwa«, sagte er. Dann würde es also kein schneller, sauberer Schnitt, sondern eine hässliche, widerliche Angelegenheit. Trotzdem musste er es tun. »Du kannst ruhig alles kurz und klein schlagen, wenn du dich danach besser fühlst. Schließlich ist das sowieso alles dein Eigentum. Ich nehme an, selbst Hochwohlgeborene haben das Recht auf einen gelegentlichen Wutanfall.«
»Sprich nicht mit mir, als wäre ich irgendein interessantes Spielzeug, das plötzlich Amok läuft. Du bist in mein Leben getreten, du bist geradezu in mein Leben geplatzt und hast alles auf den Kopf gestellt. Und jetzt meinst du, du kannst das alles einfach so beenden?«
»Wir haben keine gemeinsame Zukunft, das weißt du ebenso wie ich. Nur habe ich das offenbar früher erkannt als du.«
Sie griff nach einer Schale und schleuderte sie durch das Küchenfenster in den Hof. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ihn die Kraft und die Leidenschaft, mit der sie sich an ihr zerstörerisches Werk machte, sicherlich beeindruckt. Aber im Augenblick litt er einfach viel zu sehr.
»Für die Schäden komme ich nicht auf, Süße. Und ich habe dir nie etwas versprochen, habe dir nie irgendwelche Lügen aufgetischt. Du wusstest selbst, worauf du dich eingelassen hast, als du zu mir gekommen bist. Du wolltest, dass ich dir die Entscheidung abnehme. Du wolltest, dass ich dich nehme, damit du nicht den Anfang machen musstest. Das ist eine Tatsache.«
»Ich wusste nicht, wie ich es sagen sollte!«, brüllte sie ihn an.
»Tja, ich wusste es, und das war für uns beide gut und schön. Aber auch jetzt liegt die
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