So fern wie ein Traum
er sich fühlte, als drehe jemand ein Messer in seinem Herzen um. Am Ende wandte er sich ab, verließ die Wohnung, die ebenso wie seine Zukunft verwüstet war, und ging zu seinen Pferden in den Stall.
Laura hatte nicht gewusst, in wie viele Teile ein Herz brechen konnte. Dabei hatte sie gedacht, sie wüsste es. Als ihre Ehe nach zehn Jahren gescheitert war, war sie sich sicher gewesen, dass sie nie wieder eine derartige Trauer empfinden würde.
Damit hatte sie tatsächlich Recht gehabt, erkannte sie und hob ihre beiden Hände an das wunde Herz. Dieser Schmerz war anders, war viel grausamer.
Ihre Gefühle für Peter waren im Verlauf der Jahre langsam abgeebbt, sodass am Ende ihrer Ehe kaum etwas davon geblieben war. Aber das… sie kniff die Augen zu und trotz der weichen, warmen Luft wurde ihr eisig kalt.
Nie zuvor hatte sie einen Menschen geliebt wie sie Michael liebte, wurde ihr bewusst. Wild, ungezügelt, geradezu brutal. Und all diese Gefühle waren völlig neu. Strahlend hell und neu. Hatten sie mit einem ungeahnten Reichtum angefüllt. Dem Reichtum festzustellen, dass sie zu sinnlicher Liebe fähig war, dass sie als Frau begehren konnte und begehrt wurde. Sie hatte bewundert, was er war, was er aus sich gemacht hatte, und sie hatte sich ebenso sehr in den rauen, gefährlichen Draufgänger in ihm verliebt, wie in den sanften, freundlichen Mann.
Jetzt wollte er die Beziehung beenden und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Weinen half ihr nicht, die Tränen waren längst versiegt. Zorn hatte nichts bewirkt, und sie schämte sich bereits dafür, dass sie derart aus sich herausgegangen war. Sicher hielt er sie für eine armselige, schlechte Verliererin, aber das konnte sie nicht ändern.
Sie trat dichter an den Rand der Klippen, um zu beobachten, wie die Wellen gegen die Felsen brandeten. Sie fühlte sich wie dieser Fels, erkannte sie. Hilflos fremden Mächten ausgeliefert, gefangen in einem grausamen, endlosen Gefecht, in dem sie ohne jede Chance war.
Es half ihr nicht, es half ihr einfach nicht, wenn sie sich sagte, dass sie nicht alleine war. Dass es ihre Familie gab, ihre Kinder, ihr Zuhause, ihre Arbeit. Denn sie fühlte sich allein, mutterseelenallein, hier, am Rand der Welt, mit nichts als dem Donnern der Brandung, die ihr gnadenlos entgegenschlug.
Selbst die Vögel hatten sich verzogen, dachte sie. Nicht eine Möwe kreiste schreiend am blauen Himmel oder tauchte im Sturzflug in die Wellen ein. Es gab nichts außer dem Wogen der endlosen See.
Wie sollte sie damit zurechtkommen, dass sie nie wieder einen Menschen lieben würde wie sie Michael liebte? Wie konnte man von ihr erwarten, dass sie einfach weitermachte, dass sie alles tat, was getan werden musste, und dass sie dabei stets allein sein würde, allein in der Gewissheit, dass sie niemals am Abend heimkäme zu einem Menschen, der sie voller Liebe und Sehnsucht dort erwartete?
Weshalb nur hatte sie einen Blick darauf erhaschen dürfen, was sie hätte haben und fühlen und begehren können, nur, damit ihr all das wieder genommen würde, fragte sie. Und deshalb war das eine, von dem sie ihr Leben lang geträumt hatte, genau das, was sie nicht bekam?
Sie stellte sich vor, dass Seraphina dasselbe empfunden haben musste, als sie vor all den Jahren hier am Rand der Klippen gestanden hatte und von der Trauer, den Geliebten verloren zu haben, erfüllt gewesen war. Laura blickte in die Tiefe und stellte sich vor, wie das junge Mädchen von Leidenschaft und Schmerz erfüllt den schwindelerregenden, doch auch befreienden Sprung gewagt hatte.
Hatte sie geschrien, als sie gefallen war oder hatte sie das Ende sehnsüchtig herbeigewünscht?
Zitternd trat Laura einen Schritt zurück. Seraphina hatte ein schrecklich einfaches Ende für ihr Leid gewählt. Für sie selbst wäre es nicht so leicht, denn sie müsste mit ihrem Elend, müsste ohne Michael weiterleben, dachte sie. Und am Ende müsste sie es hinnehmen, dass ihr großer Lebenstraum niemals in Erfüllung ging.
Das plötzliche Grollen hielt sie zunächst für das Echo der Brandung, die an die Felsen schlug. Dann jedoch zitterte der Boden unter ihren Füßen. Mit großen Augen starrte sie auf die Steine, die unter ihren Füßen herumsprangen. Das Dröhnen wurde stärker, und sie begriff, was geschah.
Panisch stolperte sie los, fort vom steilen Klippenrand. Der Boden bewegte sich und brachte sie aus dem Gleichgewicht, während sie verzweifelt Halt an einem Felsen suchte. Dann hob die Erde sie wie
Weitere Kostenlose Bücher