Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So fern wie ein Traum

So fern wie ein Traum

Titel: So fern wie ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
eine Feder hoch und schleuderte sie auf das Meer hinaus.
    Die Pferde merkten es als Erste, rollten mit den Augen und brachen in panisches Gewieher aus. Michael tätschelte die Stute, die er gerade striegelte, doch dann spürte er es ebenfalls. Der Boden unter seinen Füßen schwankte, und er fluchte, als der Lärm der Pferde stärker wurde und sie verzweifelt versuchten, auszubrechen. Über seinem Kopf hörte er, wie Glas zersprang und Holz zerbarst.
    Vom Lärm des Grollens wie betäubt kämpfte er um sein Gleichgewicht. Zaumzeug fiel von den Wänden und fiel klirrend auf den erbebenden Steinboden. Er riss die Türen aller Boxen auf und konzentrierte sich darauf, seine Pferde zu befreien. Mitten im wilden Chaos tauchte plötzlich ein Bild vor seinen Augen auf.
    Laura. Mein Gott. Laura, dachte er.
    Er stolperte vorwärts und kämpfte gegen das Zittern der Erde an. Ohne auf die Wellen im gepflegten grünen Rasen zu achten, rannte er über den sonnenhellen Hof, wurde umgeworfen und rappelte sich eilends wieder auf, um den Weg zu den Klippen hinabzustürzen. Niemand hörte, wie er im Laufen ihren Namen schrie. Noch nicht einmal er selbst.
    Nach weniger als zwei Minuten war alles wieder ruhig. Unnatürlich ruhig, dachte er, als er endlich die Felsen erreicht hatte.
    Sie war wahrscheinlich längst ins Haus zurückgegangen, redete er sich in banger Hoffnung ein. Bestimmt war sie nach Hause gegangen, wo sie warm und sicher war. Ein wenig erschrocken vielleicht, aber als gebürtige Kalifornierin würde sie sicher nicht sofort in Panik ausbrechen. Er würde zum Stall zurückkehren und sehen, was alles kaputtgegangen war, sobald er… sobald er wüsste, dass ihr tatsächlich nichts geschehen war.
    Als er über den Rand der Klippe blickte und sie sah, wurden seine Knie weich. Fünf Meter unter ihm, auf einem schmalen Felsvorsprung, lag sie leichenblass nur wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt. Einer ihrer Arme war zur Seite ausgestreckt, sodass ihre Hand leblos in die Leere baumelte.
    Später sollte er sich nicht daran erinnern, wie er zu ihr hinabgeklettert war, wie ihm die Felsen in die Hände geschnitten, wie er mit seinen Füßen kleine, bösartige Gerölllawinen losgetreten hatte, wie seine Kleidung und seine Haut von Wurzeln und Steinen aufgerissen worden waren.
    Blindes Entsetzen und sein Instinkt trugen ihn sicher hinunter, wo ein einziger Fehltritt, ein einziger unvorsichtiger Griff ihn unweigerlich in die Tiefe gerissen hätte. Kalter Schweiß rann ihm in die Augen, lief über seine Haut. Er dachte – war sich sicher –, dass sie nicht mehr am Leben war.
    Aber als Michael Laura erreichte, zwang er seine Panik nieder und seine nackte Furcht, legte einen zitternden Finger an ihre Halsschlagader – und nahm erlöst ein wenn auch schwaches Klopfen wahr.
    »Okay, okay.« Mit immer noch zitternden Händen strich er ihr die Haare aus der Stirn. »Es ist alles gut, es ist alles gut.« Am liebsten hätte er sie in seinen Schoß gezogen, gehalten, in den Armen gewiegt, bis die widerliche Übelkeit in ihm verflog.
    Doch trotz seines Entsetzens war ihm klar, dass er sie besser liegen ließ. Er wusste, zuerst müsste er das Ausmaß ihrer Verletzungen ergründen, bevor er sie auch nur anrührte.
    Gehirnerschütterung, Knochenbrüche, innere Verletzungen. Himmel, vielleicht war sie gelähmt. Seine Kehle war wie zugeschnürt, und er kniff einen Moment die Augen zu, bis er wieder zu Atem kam. Er zwang sich zu langsamen, vorsichtigen Bewegungen, als er ihre Lider anhob, um nach den Pupillen zu sehen, als er mit seinen Händen sanft über ihren Schädel fuhr, und mit den Zähnen knirschte, als er all das Blut an seinen Fingern sah.
    Ihre Schulter – sie hatte sie ausgekugelt. Sicher würde sie, wenn sie wieder zu Bewusstsein kam, vor Schmerzen schreien. Großer Gott, er wollte, dass sie die Augen öffnete. Keuchend tastete er sie weiter ab. Keine Brüche – jede Menge Prellungen und ein paar schlimme Kratzer und Schnittwunden –, aber keine Brüche, dachte er.
    Er wusste nicht, wie es um ihren Rücken und um ihren Nacken stand, wusste, dass er sie, wenn er einen Krankenwagen rufen wollte, allein lassen musste. Doch der Gedanke, sie hier auf diesem Felsvorsprung auch nur eine Sekunde alleine zu lassen, rief Entsetzen und Schmerzen in ihm wach.
    »Es wird alles gut.« Er nahm ihre Hand und drückte sie sanft. »Vertrau mir. Es wird nicht lange dauern. Ich bin gleich wieder zurück.«
    Als ihre Finger den Druck schwach erwiderten,

Weitere Kostenlose Bücher