So fern wie ein Traum
überreden, mich in Rente zu schicken, damit er endlich irgend so einen noblen französischen Chefkoch hätte einstellen können. Aber das hätte sie niemals getan.«
Ihre Miene wurde weich, als sie sich zu Michael umdrehte. »Unsere Miss Laura weiß, was Loyalität ist und weiß, was richtig ist. Sie ist eine Templeton, genau wie ihre Mädchen, egal, mit welchem Nachnamen sie geschlagen sind.«
Sie brach ab und sah ihren Besucher mit zusammengekniffenen Augen an. »Da, jetzt hast du es geschafft. Bringst mich zum Plappern und erzählst mir selbst kein Wort. Du hast dich nicht verändert, Michael Fury, immer noch derselbe gewiefte Kerl.«
»Es gibt nicht viel, was ich erzählen könnte«, antwortete er. Immer noch kochte sie den besten Kaffee in ganz Kalifornien, dachte er, während er die Tasse an seine Lippen hob. Und die Templetonsche Küche war trotz ihrer Größe und Eleganz immer noch einer der gemütlichsten Orte auf der Welt. »Ich war hier und dort. Und jetzt bin ich zurück.«
Sie konnte sich vorstellen, wo er gewesen war und was er getan hatte. Trotzdem sah sie in ihm, was sie immer in ihm gesehen hatte: einen ernsten, verschlossenen Jungen, dessen Herz trotz aller Schicksalsschläge an der rechten Stelle schlug.
»Wenn du mich fragst, bist du endlich wieder dort, wo du hingehörst. Ich denke, du hast dich lange genug in der Welt herumgetrieben.«
»Scheint so«, stimmte er ihr zu, während er sich einen dritten Keks nahm.
»Und dieses Mal willst du etwas dauerhaft und richtig machen, stimmt's?«
»Das habe ich zumindest vor. Kommen Sie doch mal rüber zu den Ställen, Mrs. Williamson.« Er setzte ein verruchtes Grinsen auf. »Ich gebe Ihnen gerne ein paar Reitstunden.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und brach in dröhnendes Gelächter aus, als sich plötzlich die Tür öffnete und Ann Sullivan den Raum betrat. Sobald sie Michael bei Keksen und Kaffee am Tisch lungern saß, kniff sie die Lippen zusammen und stellte böse fest: »Wie ich sehe, haben Sie Besuch, Mrs. Williamson.«
»Der Junge kam gerade auf einen Sprung vorbei.« Sie hatten zu lange zusammen gearbeitet, als dass Mrs. Williamson die eisige Missbilligung der Wirtschafterin verborgen geblieben wäre – oder dass sie sich Anns Meinung zu Herzen genommen hätte. »Kaffee, Mrs. Sullivan?«
»Nein, vielen Dank. Miss Laura ist im Wintergarten und hätte gerne eine Tasse. Deshalb bin ich hier.«
Hinter ihr öffnete sich abermals die Tür und Kayla kam hereingerannt. »Mama sagt, ich – hi!« Sofort abgelenkt, stürzte sie auf Michael zu und kletterte auf seinen Schoß. »Sind Sie gekommen, um uns zu besuchen?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Ich bin gekommen, um Mrs. Williamson ein paar von ihren Keksen abzuschwatzen«, sagte er. »Außerdem müsste ich kurz mit deiner Mom sprechen.«
»Sie ist im Wintergarten. Sie können zu ihr gehen. Ich habe das Bild für Sie gemalt. Wollen Sie es sehen?«
»Und ob.« Er küsste sie auf die Nasenspitze und grinste sie fröhlich an. »Was hast du denn gemalt?«
»Das ist eine Überraschung.« Eilig krabbelte sie von seinem Schoß. »Ich hole es. Außerdem werde ich Ali sagen, dass Sie gekommen sind. Gehen Sie nicht weg.«
Ann stand wie angewurzelt da, als Kayla an ihr vorüber aus der Küche schoss. Selbst wenn sie blind gewesen wäre, hätte sie die Zuneigung zwischen dem Mann und der Kleinen bemerkt. Nachdenklich sah sie Michael an. Sie war noch weit davon entfernt, ihm gewisse Dinge zu verzeihen, aber sie wollte noch einmal gründlich über alles nachdenken.
»Sie können in den Wintergarten gehen, wenn Sie noch wissen, wo er ist«, sagte sie steif. »Ich bringe dann den Kaffee.«
»Fein. Danke.« Ebenso steif wie sie erhob er sich und wandte sich, herzlicher, an Mrs. Williamson. »Danke für die Kekse. Und mein Angebot gilt nach wie vor.«
»Jetzt aber raus mit dir.«
Er ging. Natürlich erinnerte er sich daran, wie er in den Wintergarten kam. Tatsächlich erinnerte er sich an jedes Detail in Templeton House. Der Weg durch den großen Flur, von dem aus man in eine Reihe eleganter Zimmer sah, war wie eine Reise in die Vergangenheit. Seine Vergangenheit. Seine Jugendjahre, dachte er.
Dieses Haus war etwas Beständiges. Die hohen Decken und reich verzierten Stuckleisten, das liebevoll und sorgsam ausgewählte Mobiliar. Die geschwungene Treppe in der Eingangshalle, die Blumenschale, die auf einer antiken Kommode stand. Der Kerzenleuchter auf einem alten Tisch mit Kerzen, die auf
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