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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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vermutlich von einem Kind stammen. Und jetzt ist eine Anzeige bei uns eingegangen, auf die ich leider nicht näher eingehen kann, aber … ich glaube jedenfalls, dass Sie jemanden decken. Ist es so? Heben Sie die Hand, wenn es so ist.«
    Håkan schloss sein Auge. Der Polizist seufzte.
    »Okay. Dann lassen wir den Apparat eben weiterarbeiten. Gibt es gar nichts, was Sie mir mitteilen möchten, ehe ich gehe?«
    Der Polizist wollte schon aufstehen, als Håkan die Hand hob. Der Polizist setzte sich wieder. Håkan hob die Hand noch ein klein wenig höher. Und winkte.
    Tschüss.
    Dem Beamten entfuhr ein grunzender Laut, dann stand er auf und ging.
    *
    Virginias Verletzungen waren nicht lebensbedrohlich gewesen. Am Freitagnachmittag konnte sie das Krankenhaus mit vierzehn Stichen und einem großen Pflaster am Hals verlassen, ein etwas kleineres klebte auf ihrer Wange. Sie lehnte Lackes Angebot ab, bei ihr zu bleiben, bei ihr zu wohnen, bis es ihr wieder besser ging.
    Am Freitagabend war sie in der festen Überzeugung zu Bett gegangen, dass sie am Samstagmorgen aufstehen und zur Arbeit gehen würde. Sie konnte es sich einfach nicht leisten, zu Hause zu bleiben.
    Sie hatte nicht einschlafen können. Der Gedanke an den Überfall wollte ihr nicht aus dem Kopf, sie fand keine Ruhe. Während sie mit weit offenen Augen im Bett lag, glaubte sie schwarze Klumpen zu sehen, die aus den Schatten an der Schlafzimmerdecke auftauchten und auf sie herabfielen. Unter dem großen Pflaster auf ihrem Hals juckte es. Gegen zwei Uhr morgens war sie hungrig geworden, in die Küche gegangen und hatte den Kühlschrank geöffnet.
    Sie hatte einen Bärenhunger gehabt, aber als sie die Lebensmittel im Kühlschrank betrachtete, gab es darin nichts, worauf sie Appetit hatte. Trotzdem hatte sie aus alter Gewohnheit Brot, Butter, Käse und Milch herausgeholt und auf den Küchentisch gestellt.
    Sie machte sich ein Käsebrot und goss Milch in ein Glas. Anschließend saß sie am Tisch und betrachtete die weiße Flüssigkeit im Glas, die braune Brotscheibe, die mit einer gelben Haut belegt war. Das Ganze sah ekelhaft aus. Sie wollte es nicht haben. Sie warf das Brot weg, goss die Milch in den Abfluss. Im Kühlschrank gab es noch eine halb volle Flasche Weißwein. Sie schenkte sich ein Glas ein, führte es an die Lippen. Als ihr der Weingeruch in die Nase stieg, verging ihr die Lust darauf.
    Getrieben vom Gefühl einer Niederlage füllte sie ein Glas mit Leitungswasser. Als sie es an den Mund hob, zögerte sie. Wasser kann man doch wohl immer …? Ja. Das Wasser konnte sie trinken. Aber es schmeckte … muffig. Als hätte man alles, was an Wasser wohlschmeckend war, herausgefiltert und einen abgestandenen Bodensatz zurückgelassen.
    Sie legte sich wieder ins Bett und wälzte sich stundenlang unruhig von einer Seite auf die andere, schlief schließlich ein.
     
    Als sie wach wurde, war es halb elf. Sie sprang aus dem Bett, zog sich im Halbdunkel des Schlafzimmers an. Großer Gott. Sie hätte schon um acht im Geschäft sein müssen. Warum hatte man sie nicht angerufen?
    Moment mal. Sie war vom Klingeln eines Telefons geweckt worden. Es hatte in ihrem letzten Traum vor dem Aufwachen geklingelt, war dann verstummt. Wenn sie nicht angerufen hätten, würde sie immer noch schlafen. Sie knöpfte ihre Bluse zu, ging zum Fenster und zog die Jalousien hoch.
    Das Tageslicht traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie taumelte rückwärts, fort vom Fenster, und ließ die Schnur der Jalousie los. Rasselnd rutschte sie wieder herab, hing schief. Sie setzte sich aufs Bett. Ein Lichtstrahl fiel zum Fenster herein, traf ihren nackten Fuß.
    Tausend Nadeln.
    Als würde ihre Haut gleichzeitig in zwei Richtungen gedreht; ein irrender Schmerz auf der Haut, die dem Licht ausgesetzt war.
    Was ist hier los?
    Sie zog den Fuß fort, zog sich Strümpfe an. Anschließend schob sie den Fuß von Neuem ins Licht. Besser. Nur noch hundert Nadeln. Sie stand auf, um zur Arbeit zu gehen, setzte sich wieder hin.
    Eine Art … Schock.
    Es war ein furchtbares Gefühl gewesen, als sie die Jalousien hochgezogen hatte. Als wäre das Licht eine schwere Materie, die gegen ihren Körper geschleudert wurde, Virginia von sich stieß. Besonders schlimm war es an den Augen. Zwei kräftige Daumen, die gegen sie gepresst wurden und sie aus ihren Höhlen zu pressen drohten. Sie brannten noch immer.
    Virginia rieb sich die Augen mit den Handflächen, holte ihre Sonnenbrille aus dem Badezimmerschrank und setzte sie

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