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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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war ein Geflecht aus Schatten, in dem Gestalten ohne Gesicht standen und warteten, hin und her schwankten.
    Er erreichte den Punkt, an dem der Weg steil zum Kvarnviken abfiel, setzte sich auf den Snowracer. Das Geisterhaus war eine schwarze Wand neben dem Hang, ein Verbot: Du darfst hier nicht sein, wenn es dunkel ist. Das ist jetzt unser Platz. Wenn du hier spielen willst, musst du mit uns spielen.
    Am unteren Ende des Hangs glommen einzelne Lichter im Vereinsheim von Kvarnvikens Bootsverein. Oskar schob sich etwas nach vorn, das Gefälle übernahm das Kommando, und der Snowracer kam ins Rutschen. Er umklammerte das Lenkrad, wollte die Augen schließen, traute sich jedoch nicht, denn dann würde er unter Umständen vom Weg abkommen und auf den steilen Hang zum Geisterhaus geraten.
    Er schoss den Hang hinab, ein Projektil aus Nerven und angespannten Muskeln. Schneller, immer schneller. Unförmige, schneewirbelnde Arme streckten sich aus dem Geisterhaus nach ihm, schnappten nach seiner Mütze, berührten seine Wangen.
    Vielleicht war es nur ein plötzlicher Windstoß, aber im unteren Drittel des Rodelhangs fuhr er in eine zähe, durchsichtige Haut, die quer über den Weg gespannt lag, ihn zu stoppen versuchte. Doch sein Tempo war zu hoch.
    Der Snowracer fuhr in die Haut hinein, und sie legte sich auf Oskars Gesicht und Körper, wurde jedoch gedehnt, gespannt, bis sie riss, und er sie durchstieß.
    Auf der Bucht funkelten die Lichter. Er saß auf dem Snowracer und schaute zu der Stelle hinaus, an der er am gestrigen Morgen Jonny niedergeknüppelt hatte. Wandte sich um. Das Geisterhaus war nur eine hässliche Baracke aus Blech.
    Er zog den Snowracer wieder den Hang hinauf. Fuhr hinab. Zog ihn wieder hinauf. Fuhr wieder hinab. Konnte einfach nicht aufhören. Und er fuhr, fuhr, bis sein Gesicht eine Maske aus Eis war.
    Dann ging er nach Hause.
    Er hatte in der Nacht nur vier oder fünf Stunden geschlafen, weil er befürchtet hatte, Eli könnte zu ihm kommen. Denn was würde er sagen, was tun müssen, wenn sie kam. Er würde sie von sich stoßen müssen. Deshalb war er im Bus nach Norrtälje eingeschlafen und wachte erst wieder auf, als sie da waren. Im Bus nach Rådmansö hielt er sich wach, machte ein Spiel aus dem Versuch, sich an möglichst viele Einzelheiten am Wegesrand zu erinnern.
    Da vorn kommt gleich ein gelbes Haus mit einer Windmühle auf dem Rasen.
    Ein gelbes Haus mit einer verschneiten Windmühle zog am Fenster vorüber. Und so weiter. In Spillersboda stieg ein Mädchen in den Bus. Oskar griff nach der Rückenlehne des Sitzes vor ihm. Sie sah ein bisschen so aus wie Eli, war sie aber natürlich nicht. Das Mädchen setzte sich zwei Reihen vor Oskar. Er betrachtete ihren Nacken.
    Was ist nur los mit ihr?
    Der Gedanke war Oskar bereits unten im Keller gekommen, während er die Flaschen wieder einsammelte und das Blut in seiner Hand mit einem Stück Stoff aus dem Müllkeller abwischte; dass Eli ein Vampir war. Es erklärte alles Mögliche.
    Dass sie sich niemals tagsüber zeigte.
    Dass sie im Dunkeln sehen konnte, wie ihm mittlerweile klar geworden war.
    Und jede Menge anderer Dinge: ihre Art zu reden, den Würfel, ihre Gewandtheit, alles Dinge, die an sich auch eine natürlich Erklärung haben mochten … aber dann war da noch, wie sie sein Blut vom Boden aufgeleckt hatte, und das, was ihn endgültig innerlich zu Eis erstarren ließ, wenn er nur daran dachte:
    »Darf ich hereinkommen? Sag, dass ich hereinkommen darf.«
    Die Tatsache, dass sie eine Einladung benötigt hatte, um in sein Zimmer kommen zu können, zu seinem Bett. Und er hatte sie eingeladen. Einen Vampir. Ein Wesen, das von Menschenblut lebte. Eli. Es gab nicht einen Menschen, dem er davon erzählen konnte. Niemand würde ihm glauben. Und wenn ihm trotz allem doch jemand glaubte, was würde dann passieren?
    Oskar sah eine Karawane von Männern vor sich, die durch den Durchgang zum Hof in Blackeberg gingen, den Durchgang, in dem er und Eli sich umarmt hatten, und angespitzte Pflöcke in den Händen trugen. Er hatte nun Angst vor Eli und wollte sie nicht mehr sehen, aber das wollte er auch nicht.
    Eine Dreiviertelstunde nachdem er in Norrtälje in den Bus gestiegen war, erreichte er Södersvik. Er zog an der Schnur, und beim Fahrer klingelte ein Glöckchen. Der Bus hielt genau vor dem Geschäft, und er musste warten, bis eine alte Tante, die er erkannte, ohne sich an ihren Namen erinnern zu können, ausstieg.
    Papa stand unterhalb der Treppenstufen,

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