So finster die Nacht
auf.
Der Hunger rumorte in ihrem Körper, aber es reichte schon, an den Inhalt des Kühlschranks, der Speisekammer auch nur zu denken, um jeden Gedanken an ein Frühstück wieder verschwinden zu lassen. Außerdem hatte sie keine Zeit. Sie kam fast drei Stunden zu spät.
Sie trat aus der Wohnung, schloss die Tür hinter sich ab und eilte im Laufschritt die Treppen hinab. Ihr Körper war geschwächt. Vielleicht war es trotz allem ein Fehler, zur Arbeit zu gehen. Nun. Der Supermarkt hatte nur noch vier Stunden geöffnet, und jetzt, um diese Uhrzeit, begann allmählich der Zustrom der Samstagskunden.
In diese Gedanken versunken, sah sie sich nicht vor, ehe sie die Haustür öffnete.
Da war wieder das Licht.
Ihre Augen schmerzten trotz der Sonnenbrille, kochendheißes Wasser wurde über Gesicht und Hände geschüttet. Sie schrie auf, zog die Hände in die Ärmel des Mantels zurück, blickte zu Boden und rannte zum Geschäft. Nacken und Kopfhaut konnte sie nicht schützen, und dort brannte es wie Feuer. Glücklicherweise war es nicht weit bis zum Supermarkt.
Als sie eingetreten war, klangen das Brennen und der Schmerz rasch ab. Die meisten Fensterfronten des Supermarkts waren mit Reklameplakaten und einem Plastikfilm abgedeckt, damit das Sonnenlicht nicht die Waren verdarb. Ein bisschen weh tat es zwar auch so, was daran liegen mochte, dass die Fenster durch die Ritzen zwischen den Plakaten Licht hereinließen. Sie legte ihre Sonnenbrille in die Tasche und ging zum Büro.
Lennart, der Filialleiter und ihr Chef, füllte stehend Formulare aus, schaute jedoch auf, als sie hereinkam. Sie hatte eine Art Verweis erwartet, aber er sagte nur: »Hallo, wie geht’s?«
»Ja … gut.«
»Solltest du nicht lieber zu Hause bleiben und dich etwas ausruhen?«
»Ach, ich dachte …«
»Das wäre nun wirklich nicht nötig gewesen. Lotten übernimmt heute die Kasse. Ich habe angerufen, aber als du nicht an den Apparat gegangen bist …«
»Gibt es denn gar nichts, was ich tun kann?«
»Frag mal Berit in der Fleischabteilung. Du, Virginia …«
»Ja?«
»Es tut mir wirklich leid, was passiert ist. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber … du hast meine Anteilnahme. Und ich habe vollstes Verständnis, wenn du es die nächste Zeit ein wenig ruhiger angehen möchtest.«
Virginia verstand die Welt nicht mehr. Lennart war nun wirklich niemand, der Verständnis dafür aufbrachte, wenn jemand krank feierte, oder der sich im Allgemeinen für die Probleme anderer interessierte. Auf diese Weise seiner persönlichen Anteilnahme Ausdruck zu verleihen, war eine völlig neue Seite an ihm. Vermutlich sah sie mit ihren geschwollenen Wangen und ihren Pflastern ziemlich erbärmlich aus.
Virginia sagte: »Danke. Ich werde sehen, wie ich es mache«, und ging in die Fleischabteilung.
Sie machte einen Abstecher zu den Kassen, um Lotten guten Tag zu sagen. Fünf Kunden warteten an Lottens Kasse, und Virginia dachte, dass sie trotz allem eine zweite Kasse öffnen sollten. Es fragte sich allerdings, ob Lennart überhaupt wollte, dass sie, so wie sie aussah, an der Kasse saß.
Als sie in das Licht trat, das durch die nicht abgedeckten Fenster hinter den Kassen hereinfiel, ging es wieder los. Das Gesicht spannte, die Augen schmerzten. Es war längst nicht so schlimm wie das direkte Sonnenlicht auf der Straße, aber schlimm genug. Sie hätte dort gar nicht sitzen können.
Lotten erblickte sie, winkte ihr zwischen zwei Kunden zu.
»Hallo, ich habe es gelesen … Wie geht es dir?«
Virginia hob die Hand, drehte sie von links nach rechts: Es geht so.
Gelesen?
Sie holte sich Svenska Dagbladet und Dagens Nyheter, nahm sie mit in die Fleischabteilung, überflog hastig die Titelseiten. Nichts. Das wäre wohl auch ein wenig übertrieben gewesen.
Die Fleischabteilung lag am hinteren Ende des Supermarktes, neben den Milchprodukten; strategisch platziert, um die Kunden zu zwingen, durch das ganze Geschäft zu gehen, um dorthin zu gelangen. Virginia blieb bei den Regalreihen mit Konserven stehen. Der Hunger nagte in ihrem Körper. Eingehend betrachtete sie alle Konserven.
Pizzatomaten, Champignons, Muscheln, Thunfisch, Ravioli, Brühwürstchen, Erbsensuppe … nichts. Sie empfand nur Ekel.
Berit sah sie von der Fleischabteilung aus, winkte ihr zu. Sobald Virginia hinter die Verkaufstheke gekommen war, umarmte Berit sie und tastete vorsichtig das Pflaster auf ihrer Wange ab.
»Mein Gott. Du Ärmste.«
»Ach mir geht’s …«
Gut?
Sie zog sich in
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