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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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heftig; das Auto berührte die Betonbarriere diesmal nur ganz kurz.
    Nach etwa hundert Metern gelang es ihm, das Auto zum Stehen zu bringen. Er atmete tief durch, blieb bei laufendem Motor regungslos mit den Händen im Schoß sitzen, hatte Blutgeschmack im Mund; er hatte sich in die Lippe gebissen.
    Was war denn das für ein Verrückter?
    Er sah in den Rückspiegel und konnte den Menschen im gelblichen Lichtschein der Straßenbeleuchtung mitten auf der Fahrbahn weiterschlurfen sehen, als wäre nichts passiert. Er wurde wütend. Sicher irgend so ein Irrer, aber wenn das Maß voll war, dann war es voll.
    Er versuchte die Tür neben sich zu öffnen, aber es ging nicht. Das Schloss hatte sich verklemmt. Er löste den Sicherheitsgurt und schob sich auf die Beifahrerseite. Ehe er sich aus dem Wagen schlängelte, schaltete er noch das Warnblinklicht ein. Anschließend stellte er sich mit verschränkten Armen neben den Wagen und wartete.
    Er sah, dass der Mensch, der sich über die Brücke bewegte, eine Art Krankenhauskittel und ansonsten nichts trug. Nackte Füße, nackte Beine. Es blieb abzuwarten, ob es überhaupt möglich sein würde, ein vernünftiges Wort mit ihm zu reden.
    Ihm?
    Die Gestalt kam näher. Schneematsch spritzte um seine nackten Füße auf, er ging, als wäre an seiner Brust ein Draht befestigt, der ihn erbarmungslos mitzog. Benny machte einen Schritt auf die Gestalt zu und blieb stehen. Der Mensch war jetzt noch etwa zehn Meter entfernt und Benny konnte deutlich sein … Gesicht sehen.
    Benny stöhnte auf, stützte sich auf den Wagen. Dann kroch er über die Beifahrerseite rasch hinein, legte den ersten Gang ein und fuhr davon, dass die Hinterräder den Schneematsch nur so hochspritzten und vermutlich … das da auf der Straße besudelten.
    Als er in seine Wohnung kam, schenkte er sich einen ordentlichen Whisky ein, leerte das Glas halb. Anschließend rief er die Polizei an, erzählte, was er gesehen hatte, was geschehen war. Als er die letzten Tropfen seines Whiskys getrunken hatte und überlegte, trotz allem ins Bett zu gehen, war der Einsatz bereits in vollem Gange.
    *
    Man durchforstete den gesamten Judarnwald. Fünf Hunde, zwanzig Polizisten. Sogar ein Polizeihubschrauber war im Einsatz, was in solchen Fällen eher ungewöhnlich war.
    Ein verletzter, verwirrter Mann. Ein einzelner Hundeführer hätte ihn aufgreifen können.
    Aber zum einen genoss dieser Fall in ganz besonderem Maße die Aufmerksamkeit der Medien (zwei Beamte waren ausschließlich dazu abgestellt worden, sich um die Journalisten zu kümmern, die sich bei Weibulls Baumschule neben der U-Bahn-Station Åkeshov versammelt hatten), man wollte deutlich machen, dass die Polizei an diesem Sonntagmorgen nicht auf der faulen Haut lag.
    Und zum anderen hatte man Bengt »Benke« Edwards gefunden.
    Das heißt; man ging zumindest davon aus, dass es Bengt Edwards war, weil der Mann, den man gefunden hatte, einen Trauring mit dem eingravierten Namen »Gunilla« trug.
    Gunilla war der Name von Bengts Ehefrau, das wussten seine Kollegen. Keiner von ihnen konnte sich allerdings dazu durchringen, sie anzurufen und ihr mitzuteilen, dass er tot war und sie trotzdem nicht ganz sicher waren, ob er es wirklich war. Sie zu fragen, ob sie ihnen vielleicht besondere Merkmale nennen konnte, die … an der unteren Körperhälfte zu finden waren?
    Der Pathologe, der um sieben Uhr morgens eingetroffen war, um sich der Leiche des Ritualmörders anzunehmen, hatte sich einer neuen Aufgabe stellen müssen. Wenn er mit dem, was von Bengt Edwards übrig war, konfrontiert worden wäre, ohne die genauen Umstände seines Todes zu kennen, hätte er wahrscheinlich angenommen, es mit einem Körper zu tun zu haben, der bei starker Kälte ein oder mehrere Tage im Freien gelegen hatte.
    Der Körper wäre dann während dieser Zeit von Ratten, Füchsen, vielleicht auch Vielfraßen und Bären geschändet worden, falls das Wort »schänden« angebracht ist, wenn ein Tier eine solche Handlung ausführt. Jedenfalls hätten größere Raubtiere auf vergleichbare Weise Fleischstücke abgerissen, kleinere Nager sich auf abstehende Teile wie Nase, Ohren, Finger gestürzt.
    Der in aller Eile verfasste, vorläufige Bericht des Pathologen, der an die Polizei weitergeleitet wurde, bildete den zweiten Grund dafür, dass der Einsatz so massiv war. Offiziell ließ man verlautbaren, der flüchtige Mann sei als extrem gewalttätig einzustufen.
    Im Klartext hieß das: Er war vollkommen

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