So finster die Nacht
würde wieder in der Wirklichkeit sein.
Jetzt komm schon, du verdammter Aufzug!
Die gesunde Hand des Mannes winkte.
Benke betrachtete sie und schloss die Augen, öffnete sie wieder. Der Mann versuchte, leise etwas zu sagen. Er winkte Benke zu sich, war folglich bei Bewusstsein.
Benke stellte sich neben die Bahre, beugte sich über den Mann. »Ja? Was ist?«
Die winkende Hand umklammerte plötzlich seinen Nacken, zog seinen Kopf nach unten. Benke verlor das Gleichgewicht, fiel auf den Mann. Der Griff um seinen Nacken war wie eine eiserne Kralle, als sein Kopf geschleift wurde zu dem … Loch.
Er versuchte nach dem Stahlrohr am Kopfende der Bahre zu greifen, um sich zu befreien, aber sein Kopf wurde zur Seite gedreht und seine Augen landeten nur wenige Zentimeter entfernt von der durchnässten Kompresse auf dem Hals des Mannes.
»Lass los, verdammt …«
Ein Finger drückte sich in sein Ohr, und er hörte, wie die Knochen im Gehörgang gebrochen wurden, als sich der Finger hineinpresste, immer tiefer hinein. Seine Beine traten aus, und als sein Schienbein die Stahlrohre am Untergestell der Bahre traf, schrie er endlich auf.
Dann wurden Zähne in seine Wange geschlagen, und der Finger in seinem Ohr reichte so tief hinein, dass etwas erlosch und er … kapitulierte.
Das Letzte, was er sah, war die nasse Kompresse, die sich vor seinen Augen verfärbte und hellrot wurde, während der Mann sein Gesicht aß.
Das Letzte, was er hörte, war ein Pling, als der Aufzug eintraf.
*
Sie lagen nebeneinander auf der Couch, schwitzten, keuchten. Oskar war am ganzen Körper grün und blau, erschöpft. Er musste derart gähnen, dass seine Kiefer knackten. Eli gähnte auch. Oskar wandte ihr den Kopf zu.
»Hör auf.«
»Entschuldige.«
»Du bist doch gar nicht müde, oder?«
»Nein.«
Oskar mühte sich, die Augen offen zu halten, redete beinahe, ohne die Lippen zu bewegen. Elis Gesicht wurde verschwommen, unwirklich.
»Was machst du? Um an Blut zu kommen?«
Eli sah ihn lange an. Dann entschloss sie sich zu etwas, und Oskar sah, dass sich hinter ihren Wangen, Lippen etwas bewegte, so als spiele sie dort mit ihrer Zunge. Dann öffneten sich ihre Lippen, und sie riss den Mund auf.
Und er sah ihre Zähne. Sie schloss den Mund wieder.
Oskar wandte den Kopf ab und blickte zur Decke, wo ein Faden staubigen Spinngewebes von der unbenutzten Deckenlampe herabhing. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft, sich zu wundern. Aha. Sie war ein Vampir. Aber das hatte er ja schon gewusst.
»Seid ihr viele?«
»Wer ihr?«
»Du weißt schon.«
»Nein, tue ich nicht.«
Oskars Augen flackerten über die Decke, versuchten weitere Spinnweben zu finden. Fanden zwei. Er meinte eine Spinne zu sehen, die über eine andere hinwegkroch. Er blinzelte. Blinzelte erneut. Seine Augen waren voller Sand. Keine Spinne.
»Wie soll ich dich nennen? Das, was du bist.«
»Eli.«
»Heißt du so?«
»Fast.«
»Wie heißt du denn richtig?«
Eine Pause. Eli rückte ein wenig von ihm ab, zur Rückenlehne, drehte sich auf die Seite.
»Elias.«
»Das ist doch … ein Jungenname.«
»Ja.«
Oskar schloss die Augen, konnte nicht mehr. Die Lider klebten auf den Augäpfeln. Ein schwarzes Loch begann zu wachsen, seinen ganzen Körper zu umfangen. Ein schwaches, kreiselndes Gefühl weit hinten in seinem Kopf, dass er etwas sagen, etwas tun sollte. Aber er konnte nicht.
Das schwarze Loch implodierte in Zeitlupe. Er wurde nach vorn, nach innen gesogen, schlug einen langsamen Purzelbaum in den Raum, in den Schlaf hinein.
Weit entfernt spürte er, dass jemand über eine Wange strich. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, den Gedanken zu formulieren: Wenn er dies spürte, musste es seine eigene sein. Aber irgendwo, auf einem fernen Planeten, strich jemand behutsam über die Wange eines anderen Menschen.
Und das war gut.
Dann gab es nur noch Sterne.
VIERTER TEIL
HIER KOMMT DER TROLLE KOMPANIE!
Hier kommt der Trolle Kompanie
An ihr vorbei kommt keiner nie.
Tino Tatz im Trollwald
SONNTAG, 8. NOVEMBER
Die Tranebergbrücke. Als sie 1934 eingeweiht wurde, war sie ein bisschen der Stolz der Nation. Die größte Betonbrücke mit einem Brückenbogen auf der ganzen Welt. Ein einziger mächtiger Bogen, der sich zwischen dem Stadtteil Kungsholmen und einem westlichen Vorort spannte, der damals aus kleinen Gartenstädten wie Bromma und Äppelviken bestand. Den Fertighäusern der Schrebergartenbewegung in Ängby.
Aber die modernen Zeiten kündigten sich schon an. Die
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