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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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gewesen, ihn auch einzusetzen.
    Die Rauchentwicklung im Taufbecken schwächte sich allmählich ab, aber die Kirche war inzwischen in einen Dunst gehüllt, der nach der Herstellung von Süßigkeiten und Chemikalien roch. Die Kirchentüren wurden weit aufgeschlagen, und durch den Dunst hindurch war ein deutlich markiertes Rechteck aus einfallendem Morgenlicht zu sehen.
    Die Gemeinde bewegte sich hustend ins Licht.
    *
    In der Küche gab es einen einzigen Stuhl und sonst nichts. Oskar zog ihn zur Spüle, stellte sich darauf und pinkelte in das Spülbecken, wobei er Wasser laufen ließ. Als er fertig war, stellte er den Stuhl wieder dorthin, wo er zuvor gestanden hatte. In der ansonsten leeren Küche sah er seltsam aus. Wie ein Museumsstück.
    Wozu benutzt sie ihn?
    Er schaute sich um. Über dem Kühlschrank hing eine Reihe von Schränken, an die man nur heranreichte, wenn man sich auf den Stuhl stellte. Er zog den Stuhl dorthin und legte die Hand auf den Kühlschrankgriff, um sich abzustützen. Sein Magen rumorte. Er hatte Hunger.
    Ohne weiter darüber nachzudenken, öffnete er den Kühlschrank, um nachzusehen, womit er gefüllt war. Viel war es nicht. Eine geöffnete Milchtüte, ein halbes Paket Brot. Butter und Käse. Oskar streckte sich nach der Milch.
    Aber … Eli …
    Er verharrte mit dem Milchpaket in der Hand, blinzelte. Das konnte doch gar nicht sein. Aß sie etwa auch normale Lebensmittel? Anscheinend ja. Er nahm die Milchtüte aus dem Kühlschrank, stellte sie auf die Spüle. Im Küchenschrank darüber war fast nichts. Zwei Teller, zwei Gläser. Er nahm ein Glas, goss Milch hinein.
    Und die Erkenntnis traf ihn mit voller Wucht. Mit dem kalten Milchglas in der Hand wurde es ihm endlich wirklich klar, mit aller Macht.
    Sie trinkt Blut.
    Gestern Nacht, in dem Chaos aus Schläfrigkeit und Losgelöstheit von der Welt, in der Dunkelheit war ihm in gewisser Weise alles möglich erschienen. Doch jetzt, in dieser Küche, in der keine Decken vor den Fenstern hingen und die Jalousien fahles Morgenlicht hereinließen, mit einem Milchglas in der Hand, erschien es ihm so … jenseits von allem.
    Zum Beispiel: Wenn man Milch und Brot im Kühlschrank hatte, musste man doch wohl ein Mensch sein, oder nicht?
    Er trank etwas Milch und spuckte sie sofort wieder aus. Sie war sauer. Er roch an dem, was im Glas war. Ja. Sauer. Er goss die Milch in den Ausguss, spülte das Glas und trank Wasser, um den Geschmack im Mund fortzuspülen, betrachtete anschließend den Datumstempel auf der Milchtüte.
    »UNGEÖFFNET MINDESTENS HALTBAR BIS 28. OKT.«
    Die Milch war zehn Tage alt. Oskar begriff.
    Die Milch gehört diesem Typen.
    Der Kühlschrank stand immer noch offen. Die Lebensmittel gehören dem Typen.
    Eklig. Eklig.
    Oskar knallte den Kühlschrank zu. Was hatte dieser Kerl hier zu suchen gehabt? Was hatten er und Eli … Oskar erstarrte.
    Sie hat ihn getötet.
    Ja. Eli hatte den Typen hier bei sich, um … von ihm essen zu können, hatte ihn als lebende Blutbank benutzt. So machte sie das. Aber warum war der Kerl damit einverstanden gewesen? Und wenn sie ihn getötet hatte, wo war dann die Leiche?
    Oskar schielte zu den hohen Küchenschränken hinauf. Plötzlich wollte er nicht mehr in der Küche sein, wollte er überhaupt nicht mehr in dieser Wohnung sein. Er verließ die Küche, ging durch den Flur. Die verschlossene Badezimmertür.
    Da drinnen liegt sie.
    Er eilte ins Wohnzimmer, griff nach seiner Tasche. Der Walkman lag auf dem Tisch. Er musste nur einen neuen Kopfhörer kaufen. Als er den Walkman aufhob, um ihn in die Tasche zu legen, sah er den Zettel. Er lag auf dem Couchtisch, auf der Höhe der Stelle, an der sein Kopf gelegen hatte.
     
Hallo. Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Ich werde jetzt auch schlafen. Ich bin im Badezimmer. Versuch bitte nicht, hineinzugehen. Ich vertraue dir. Ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Ich hoffe, du kannst mich gern haben, obwohl du weißt, wie ich bin. Ich habe dich gern. Sehr gern. Du liegst jetzt hier auf der Couch und schnarchst. Bitte. Hab keine Angst vor mir.
Bitte, bitte, bitte hab keine Angst vor mir.
Sollen wir uns heute Abend treffen? Schreib es auf den Zettel, wenn du das willst.
Wenn du Nein schreibst, ziehe ich heute Abend um. Das muss ich wohl ohnehin bald tun. Aber wenn du Ja schreibst, bleibe ich noch ein bisschen. Ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Ich bin einsam. Ich glaube, einsamer, als du dir vorstellen kannst. Vielleicht kannst du es doch.
Entschuldige bitte,

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