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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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sich über die Schüssel. Es kam nichts. Nur ein trockenes, wimmerndes Würgen. Sie lehnte die Stirn auf den Rand der Toilette. Die Bilder von der Entbindung wallten von Neuem in ihr auf.
    Willnichtwillnichtwillni Sie rammte ihre Stirn mit Wucht gegen das Porzellan, und ein Geysir eisig klaren Schmerzes sprühte in ihrem Kopf in die Höhe. Vor ihren Augen wurde alles leuchtend blau. Sie lächelte und fiel seitlich zu Boden, auf den Badezimmerteppich, der …
    Er hat 14.90 gekostet, aber ich habe ihn für einen Zehner bekommen, weil sich ein großer Stoffbausch gelöst hat, als die Kassiererin das Preisschild abzog, und als ich aus dem Kaufhaus auf den Vorplatz gekommen bin, ist da eine Taube gewesen, die in einem Pappkarton gepickt hat, in dem noch ein paar Pommes frites lagen, und die Taube war grau … und … blau … es war …
    … Gegenlicht …
    Sie wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Eine Minute, eine Stunde? Vielleicht auch nur ein paar Sekunden. Jedenfalls hatte sich etwas verändert. Sie war ruhig.
    Der flauschige Stoff des Badezimmerteppichs fühlte sich schön an unter der Wange, als sie so dalag und das rostfleckige Rohr betrachtete, das vom Waschbecken kommend im Fußboden verschwand. Das Rohr hatte eine schöne Form.
    Der intensive Geruch von Urin. Sie hatte sich nicht bepinkelt, oh nein, denn das war … Lackes Pisse, die sie roch. Sie krümmte den Körper, bewegte ihr Gesicht zum Boden unter der Toilette, schnüffelte. Lacke … und Morgan. Sie konnte nicht begreifen, woher sie das wusste, aber sie wusste: Morgan hatte daneben gepinkelt.
    Aber Morgan ist doch gar nicht hier gewesen.
    Doch, natürlich. An jenem Abend, in der Nacht, als die anderen sie nach Hause gebracht hatten. Dem Abend, an dem sie überfallen worden war. Gebissen. Ja. Natürlich. Es passte alles zusammen. Morgan war hier gewesen, Morgan hatte gepinkelt, und sie hatte drüben auf der Couch gelegen, nachdem sie gebissen worden war, und jetzt konnte sie in der Dunkelheit sehen und vertrug kein Licht und brauchte Blut und – Vampir.
    So war es. Sie hatte sich keine seltene und unangenehme Krankheit eingehandelt, die man in einem Krankenhaus heilen konnte, oder in der Psychiatrie oder mit …
    Lichttherapie!
    Sie lachte hustend auf, legte sich rücklings auf den Fußboden, blickte zur Decke, ging alles noch einmal durch. Die schnell heilenden Wunden, die Wirkung der Sonne auf ihre Haut, das Blut.
    Sie sagte es laut.
    »Ich bin ein Vampir.«
    Das war doch nicht möglich. So etwas gab es doch gar nicht. Und trotzdem wurde es so leichter. Als ließe ein Druck in ihrem Kopf nach. Als fiele die Last einer Schuld von ihr ab. Sie konnte nichts dafür. Diese widerwärtigen Fantasien, die schrecklichen Dinge, die sie sich die ganze Nacht angetan hatte. Dafür konnte sie doch gar nichts.
    Es war doch … ganz natürlich.
    Sie richtete sich halb auf, ließ ein Bad ein, setzte sich auf den Toilettenstuhl und betrachtete das laufende Wasser, die Badewanne, die sich langsam füllte. Das Telefon klingelte. Sie nahm es nur als ein gleichgültiges Signal wahr, als einen mechanischen Laut, der bedeutungslos war. Sie konnte ohnehin mit niemandem sprechen. Keiner konnte mit ihr sprechen.
    *
    Oskar hatte die Zeitung von Samstag noch nicht gelesen. Jetzt lag sie vor ihm auf dem Küchentisch. Er hatte die gleiche Seite inzwischen bereits eine ganze Weile aufgeschlagen und immer wieder den Artikel zu dem Bild gelesen, dem Bild, das ihn in seinen Bann gezogen hatte. In dem Text ging es um den Mann, den man in der Nähe des Krankenhauses von Blackeberg im Eis gefunden hatte. Wie man ihn gefunden hatte, wie die Bergungsarbeiten verlaufen waren. Es gab ein kleines Bild von Lehrer Ávila, auf dem er auf das Loch im Eis deutete. In den Worten, mit denen Ávila zitiert wurde, hatte der Journalist die sprachlichen Eigenheiten des Lehrers berichtigt.
    All das war durchaus interessant und wert, ausgeschnitten und aufbewahrt zu werden, dennoch war es nicht das, was er sich ansah, wovon er sich nicht losreißen konnte.
    Es war das Bild von dem Pullover.
    Unter der Jacke des toten Mannes hatte man einen blutbesudelten Pullover in Kindergröße gefunden, der vor einem neutralen Hintergrund abgebildet war. Oskar kannte diesen Pullover.
    Frierst du nicht?
    In dem Artikel stand, dass der tote Mann, Joakim Bengtsson, zuletzt am Samstag, den 24. Oktober, lebend gesehen worden war. Oskar erinnerte sich an den Abend. Eli hatte den Würfel gelöst. Er hatte ihre

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